Sturms Flug
kohlrabenschwarz, und mit den unzähligen Ringen an den Fingern und den schwarzen Klamotten erinnerte sie ihn unweigerlich an Lisbeth Salander, die exzentrische Heldin aus den Stieg-Larsson-Krimis, die er vor Kurzem gelesen hatte. Fehlte nur der Nasenring. Unmöglich, sich diese Frau im Rotkäppchen-Kostüm vorzustellen.
Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch er bedeutete ihr, zu schweigen, denn in diesem Moment rief Asad den Tower und verlangte, mit dem Einsatzleiter der Polizei zu sprechen.
Bernd spitzte die Ohren.
»Mein Name ist Grillo«, tönte es nach einer ziemlich langen Wartezeit aus dem Lautsprecher.
Der Afrikaner schnaubte. »Hast du etwas zu sagen, Grillo?«
Die Antwort klang fast gelangweilt. »Ich bin berechtigt, mit Ihnen zu verhandeln. Wer sind Sie? Sind Sie derjenige, der sich ›Löwe von Puntland‹nennt? Wie soll ich Sie ansprechen? Stammen Sie aus Somalia?«
Die Frage nach der Herkunft wurde überhört. »Du kannst mich mit Hoheit ansprechen«, verkündete Asad.
Grillo schien nicht überrascht angesichts dieser bizarren Forderung, sondern willigte sofort ein. Seine Stimme klang belegt, was an der Funkübertragung liegen mochte, doch Bernd hatte vielmehr den Eindruck, dass in seinem Hals ein Räuspern feststeckte.
»Was halten Sie davon, Hoheit«, schlug Grillo vor, »wenn wir unsere Zusammenarbeit damit beginnen, dass Sie … sagen wir, fünfzig Geiseln freilassen?«
»Leck mich, Schwuchtel!«, ätzte Asad ins Mikro. »Wir arbeiten überhaupt nicht zusammen. Ich befehle, und ihr macht, was ich sage, kapiert?«
Grillo überging die Beleidigung. Der Klang seiner unangenehmen Stimme blieb ruhig, als er sagte: »Selbstverständlich, Hoheit.«
»Wenn das so selbstverständlich ist, dann frage ich mich, wo meine zehn Millionen bleiben und wieso die Maschine noch nicht betankt ist. Ich warne dich, meine Geduld hat Grenzen. Was ist mit Omar Aidid? Befindet er sich bereits auf dem Weg?«
»Noch nicht, Hoheit. Die Entlassung eines Strafgefangenen ist an Formalitäten gebunden. Der Vorgang muss vom Justizminister genehmigt werden. Aber ich versichere Ihnen, dass wir alles tun …«
Asad fiel ihm ins Wort. »Gewäsch! Erspar mir das! Wenn du für jeden Furz um Erlaubnis fragen musst, Grillo, dann hole mir denjenigen ans Funkgerät, der die Erlaubnis erteilt. Ich verhandele nicht mit Lakaien.«
»Sie können mit mir verhandeln«, versicherte Grillo nachdrücklich. »Ich habe alle Befugnisse.«
»Dann beweise es!«
»Wie?«
»Indem du mir vierzig volle Benzinkanister bringen lässt. Ich will Zehn-Liter-Kanister aus Plastik.«
»Was denn für Benzin?«, fragte Grillo erstaunt. »Flugzeugbenzin oder …?«
»Ganz normales Benzin«, fiel ihm Asad ins Wort. »So, wie du’s in dein Auto kippst. Bleifrei oder nicht, normal oder super, scheißegal. Ich will vierzig Zehn-Liter-Kanister davon. Sie sollen auf diesen Gepäckwagen herangeschafft werden, die von Urlaubern für ihre Koffer benutzt werden, damit ich schon von Weitem erkennen kann, ob ihr mir ein faules Ei ins Nest legen wollt. Sieh zu, dass die Gangway angedockt wird, dann lass das Zeug daneben abstellen und pfeif deine Leute zurück. Und versuche nicht, mich zu verarschen.«
»Vierhundert Liter Benzin?«, ließ sich die Räusperstimme vernehmen. »Was haben Sie damit vor, Hoheit?«
Das fragte sich Bernd ebenfalls, und in seiner Vorstellung sah er bereits das gesamte Flugzeug in hellen Flammen stehen. Was sonst sollte der Verbrecher mit 400 Litern Benzin anstellen, außer etwas in Brand zu stecken? Andererseits würde er sich den Fluchtweg verbauen, wenn er die Maschine abfackelte, und das wiederum konnte Bernd nicht glauben.
Grillo war offenbar ebenfalls beunruhigt, denn er fragte abermals: »Wozu benötigen Sie das Benzin?«
Asad ignorierte die Frage. »Außerdem will ich mit Omar Aidid sprechen.«
»Das lässt sich einrichten. Allerdings möchte ich erst wissen, was Sie mit dem Benzin vorhaben? Anschließend können wir in Ruhe …«
Dem Afrikaner riss der Geduldsfaden. Er brüllte in das Mikrofon. »Hör auf, mich hinzuhalten! Ich bin nicht dämlich! Denkst du, ich merke nicht, was du abziehst? Wenn ich in zehn Minuten nicht die Kanister sehe, wird eine Geisel sterben.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Zehn Minuten. Die Zeit läuft.«
Zum ersten Mal seit Gesprächsbeginn klang Grillos Stimme nicht mehr gelassen. »Hoheit, ich bitte Sie, lassen Sie uns verhandeln. Ich bin bereit …«
Wozu er bereit war,
Weitere Kostenlose Bücher