Sturms Flug
widerstandslos von ihnen abführen. Sie humpelte immer noch.
Der PP rief den Beamten nach: »Ich möchte, dass sie für mindestens zwölf Stunden eingesperrt bleibt, klar? Das gibt ihr Gelegenheit, über ihr unerhörtes Verhalten nachzudenken. Vielleicht begreift sie dann, dass man keine Polizeiabsperrungen durchbricht! Vollkommen verrückt geworden, das Weib. Easy Rider, Elton John … Lächerlich!« Er hob die Stimme. »Wenn das hier vorbei ist, Sturm, werde ich mit Nachdruck Ihre Entlassung betreiben, darauf können Sie Gift nehmen.«
Kapitel 29
Mara krümmte sich am Boden wie ein Wurm.
Die Bubis in Tarnhosen hatten einen Kreis um sie gebildet. Alle lärmten und krakeelten, als wären sie Zuschauer bei einem Hahnenkampf.
Über ihr stand Asad, selbstgefällig bis zum Gehtnichtmehr, und fingerte an seinem Hosenstall herum. Dabei stimmte er ein Lied an, auf Somali, und die Horde grölte mit.
Sie versuchte fortzukriechen, doch die sinnlose Flucht endete an einem Wall aus tarnbehosten Beinen, die in Sandalen mündeten.
Asad hatte mittlerweile blank gezogen, und sie erwartete, dass er jeden Moment über sie herfallen würde. In Gedanken sah und hörte sie bereits, wie die halbwüchsige Meute den Takt klatschte, während er zustieß. Die bloße Vorstellung rief Angst und Ekel und Scham in ihr hervor. Sie bemühte sich, auf die Füße zu kommen und wegzulaufen, doch kaum dass sie sich aufgerichtet hatte, fegte ihr jemand das Standbein weg, sodass sie der Länge nach hinschlug.
Die Bauchlandung tat weh.
Die Bauchlandung sorgte für frenetischen Jubel.
Die Bauchlandung ließ sie das Springmesser in der Beintasche ihrer Hose spüren.
Asad machte keine Anstalten, sich zu ihr auf den gefliesten Boden herabzulassen. Stattdessen spürte sie, wie etwas Warmes auf ihren skalpierten Kopf prasselte, etwas, das sich anfühlte wie ein Regenschauer. Der Schauer perlte über ihr Gesicht, verursachte Salzgeschmack auf den Lippen, floss hinab über Nacken und Schultern, tränkte ihr T-Shirt und stank entsetzlich.
Da begriff sie, dass er auf sie urinierte.
Sie schrie, doch der Laut ging unter im Gebrüll des Publikums. Sie versuchte zu entkommen, indem sie auf allen vieren umherkroch, mal hierhin, mal dorthin, doch der Strahl verfolgte sie. Sie blinzelte nach oben, sah grinsende Visagen mit gebleckten weißen Zähnen. Einer hielt eine Flasche Jack Daniel’s in den Händen. Er hatte den Verschluss abgeschraubt und tat so, als würde er Whisky pissen, indem er sich die Flasche zwischen die Beine hielt und den Inhalt auslaufen ließ. Der scharfe Geruch des Whiskys mischte sich mit dem Gestank des Urins.
Plötzlich brüllte Asad wie am Spieß.
Das war so laut und unerwartet, dass alle anderen sofort verstummten.
Der warme Strahl versiegte abrupt.
Seine Augen waren weit aufgerissen, genau wie sein Schlund. Er schrie wie ein wahnsinniger Dämon, der kurz davorstand, loszurennen und zu töten. Die Horde zuckte regelrecht zusammen und wich ängstlich zurück.
Mara nutzte den Augenblick der Verwirrung, der nicht lange anhalten würde.
Sie ließ das Springmesser fallen, das sie dem Mistkerl in den Fuß getrieben hatte, und rappelte sich blitzschnell auf. Zu dumm, dass sie mit der Klinge abgerutscht war, weil sie ausgerechnet die Schnalle auf dem Spann von Asads Sandale getroffen hatte. Wäre der Stich nicht abgelenkt worden, hätte sie seinen Fuß glatt an die Fliesen genagelt, so hart und kraftvoll hatte sie zugestoßen. Doch auch der abgelenkte Treffer reichte, um ihm schreckliche Pein zu bereiten.
Sie rammte einem jungen Burschen, der ihr im Weg stand und mit offenem Maul zwischen ihr und Asad hin und her glotzte, den Ellenbogen in die Rippen.
Dann sprintete sie auf das niedrige Mäuerchen zu, das die Terrasse umgab. Dahinter war die Klippe, rund dreißig Meter über den Wellen des Golfs von Aden. Sie machte einen Satz auf die Krone der Mauer.
Ohne zu zögern stürzte sie sich hinab.
Kapitel 30
Die Sitzordnung im Flugzeug hatte sich geändert, zumindest was die ersten drei Reihen betraf, denn dort waren von achtzehn Plätzen nur noch fünf besetzt.
Und diese wurden eingenommen von Bernd und Ernestine, die in der ersten Reihe saßen, linker Hand des Ganges. Die drei Plätze rechts davon besetzten Grietje, ihre hübsche junge Kollegin namens Frederieke sowie der Co-Pilot. Die Sitzreihen zwei und drei schließlich waren komplett leer, nachdem Asad sämtliche Passagiere von dort verscheucht hatte. Da die Maschine so gut wie
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