Sturms Flug
Dieses Flugzeug befindet sich in meiner Gewalt!«
Riedel stand das Erstaunen ins Gesicht geschrieben. Zweifellos fragte er sich, wie die Aufzeichnung in Grillos Besitz kam.
Dieser beendete die Wiedergabe mit einem erneuten Fingertippen auf den Touchscreen. »Ich spreche sehr gut Englisch«, sagte er übergangslos. »Fast fließend. Allerdings kann ich in puncto Aussprache nicht mithalten mit diesem Mann, der sich ›Löwe von Puntland‹ nennt. Halten Sie mich nicht für fantasielos, aber das passt so gar nicht zu meiner Vorstellung eines somalischen Piraten.« Er zuckte mit den Schultern. »Befindet sich da möglicherweise noch ein fünfter Entführer im Flugzeug, von dem wir nichts ahnen? Etwa der Mann, der fast aus dem offenen Einstieg gestürzt wäre? Was denken Sie, Herr Doktor Bohne?« Der Titel wurde besonders betont, was ungemein sarkastisch klang.
Der PP war so überrascht, dass er auf die Schnelle keine Antwort fand, und als er sich endlich eine zurechtgelegt hatte, klingelte das Telefon.
Das musste ein wichtiges Gespräch sein, denn Belanglosigkeiten wurden bereits außerhalb der durchsichtigen Wände abgeblockt.
Der zweite Uniformierte, der bisher noch kein einziges Wort gesagt hatte, warf Riedel einen Erlaubnis heischenden Blick zu. Dieser machte eine bestätigende Geste.
»Einsatzleitung, Polizeirat Hasewinkel am Apparat.«
Er verstummte augenblicklich, hörte mehr als eine Minute schweigend zu, wobei er zuerst überrascht und dann missbilligend die Stirn runzelte. Je länger er lauschte, desto intensiver wurde das Stirnrunzeln.
Derweil rief sich Herr Dr. Bohne den Moment in Erinnerung, da Grillo vor wenigen Minuten so unverhofft hereingeplatzt war. Der PP war überzeugt davon, dass er sich mit seinem Nachnamen vorgestellt hatte, Bohne, und mit seiner Amtsbezeichnung, Polizeipräsident. Seinen Titel hatte er mit keiner Silbe erwähnt. Wie also kam dieser verdammte Grillo auf die Idee, ihn spöttisch mit Herr Doktor anzusprechen? Anscheinend gab es nichts, über das der Kerl nicht Bescheid wusste.
Hasewinkel hatte indes genug gehört. Er forderte den Anrufer auf zu warten und wandte sich an Riedel. »Da ist ein Kollege von der Flughafenwache in der Leitung. Er sagt, neben ihm stehe eine Frau, die behauptet, Polizistin zu sein, doch anstelle eines Dienstausweises hat sie lediglich einen Presseausweis bei sich. Dennoch verlangt sie, unverzüglich mit dem Einsatzleiter zu sprechen.«
Riedel winkte genervt ab. »Pah, eine Reporterin! Hat uns gerade noch gefehlt. Der Kollege von der Flughafenwache soll sie an die Pressestelle verweisen.«
Hasewinkel räusperte sich. »Wie ich schon sagte, sie besteht darauf, mit dem Einsatzleiter persönlich zu sprechen. Das hat sie wohl auch gegenüber den Kollegen geäußert, die an der Absperrung stehen, doch die wollten sie nicht durchlassen. Daraufhin hat sie die Absperrung durchbrochen.«
Grillo, der bisher schweigend zugehört hatte, mischte sich ein. »Die Absperrung durchbrochen?«
Hasewinkel nickte. »Ja, auf einem Motorrad. Damit ist sie geradeswegs in die Ankunftshalle gefahren, und es war ein ganzer Zug Bereitschaftspolizei nötig, sie … nun, sagen wir, einzufangen.«
»Interessant. Wie das?« Grillos Stimme hörte sich immer noch so an, als müsste er sich räuspern.
Hasewinkel lächelte, blickte jedoch in ein versteinertes Gesicht. »Die Kollegen haben sie mit den Mannschaftswagen verfolgt.«
»Durch die Flughafenhalle?«
»Durch das gesamte Terminal. Die Hatz endete erst, als sie mit dem Motorrad die Rolltreppe genommen hat. Oder nehmen wollte, besser gesagt, denn dabei ist sie gestürzt, sodass sie überwältigt werden konnte.«
»Ist sie nicht mehr ganz dicht?«, fragte Grillo.
Inzwischen war auch Herr Dr. Bohne auf die abenteuerliche Geschichte aufmerksam geworden. Als er das Wort Motorrad aufschnappte, knirschte er kaum merklich mit den Zähnen. Interessiert und alarmiert zugleich spitzte er die Ohren, hielt sich ansonsten jedoch zurück. Grillo bemerkte das sehr wohl.
»Die Frau behauptet«, fuhr Hasewinkel fort, »den Anführer der Luftpiraten zu kennen. Persönlich zu kennen, da sie ihm vor kurzer Zeit begegnet ist, was auch immer das heißen mag. Und sie versichert, ihn zweifelsfrei identifizieren zu können, wenn sie seine Stimme hört.«
»Er soll sie wegschicken«, befahl Riedel. »Ich denke, wir sind uns einig, dass wir es mit einer Verrückten zu tun haben.«
»Ganz recht«, bekräftigte der Polizeipräsident.
Grillo
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