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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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ausgebucht war, mussten sie sich irgendwo dazuquetschen. Doch niemand wagte, sich zu beschweren.
    Der Co-Pilot, der in der Reihe mit den beiden Stewardessen den Fensterplatz innehatte, stöhnte von Zeit zu Zeit. Er trug einen Kopfverband, den Grietje ihm mit Verbandszeug aus der Bordapotheke angelegt hatte und der inzwischen durchgeblutet war. Neben der Platzwunde, die ihm Asad gleich bei der Erstürmung des Cockpits beigebracht hatte, bescherte ihm außerdem eine Gehirnerschütterung heftiges Unwohlsein, was zu ständigem Erbrechen führte. Zum Glück waren gefaltete Papiertüten reichlich vorhanden, und jedes Mal wenn er fertig war, wurde Bernd angewiesen, die Tüten in der Toilette zu entsorgen.
    Asad fand das offenbar endlos amüsant.
    Bernd überhaupt nicht, denn die Tüten fühlten sich warm an in seinen Fingern, und der gallige Gestank sorgte dafür, dass es ihm beinahe selbst hochkam.
    Vor wenigen Augenblicken war es wieder einmal so weit gewesen, und nachdem er alles zur Zufriedenheit erledigt hatte, durfte er sich auf seinen Platz neben Ernestine setzen.
    Die Cockpittür stand offen, sodass er Asad sehen konnte, der sich im Sessel des Co-Piloten flegelte, während einer seiner Kumpane auf dem Notsitz hinter dem Piloten hockte. Diesem hatte man die Arme mit Klebeband an die Lehnen seines Sitzes gefesselt.
    Asads Kumpan war genauso ein Albtraum wie der selbsternannte Löwe, vielleicht drei oder vier Jahre jünger, doch ihm fehlten bereits alle Schneidezähne. Anscheinend beabsichtigten die beiden, in nächster Zukunft mit dem Tower zu sprechen, denn sie ließen sich vom Piloten die Handhabung des Funkgerätes erklären.
    »Ich möchte mich noch bei Ihnen bedanken, dass Sie mich vorhin gerettet haben«, flüsterte Bernd. »Ohne Ihr Eingreifen hätte ich mir nämlich den Hals gebrochen und läge jetzt draußen neben dem Easy Rider auf dem Rollfeld.« Adressat des Dankes war Ernestine.
    »Easy Rider?«, gab sie zurück, und zwar so leise, dass er sie kaum verstehen konnte.
    In knappen Sätzen erklärte er ihr, dass eine Freundin dem Toten diesen Spitznamen verpasst hatte. Anschließend bedankte er sich ein zweites Mal bei Ernestine für die Rettung vor dem Sturz aus dem Flugzeug.
    Sie ging nicht darauf ein. Stattdessen fragte sie ihn nach der Bedeutung des Wortes faggot , das sie nicht kannte, da ihr Englisch ziemlich schlecht war, wie sie einräumte. Dennoch war ihr aufgefallen, dass Asad es stets benutzte, wenn er Bernd herumkommandierte.
    Er wurde rot, gab ihr jedoch die gewünschte Auskunft. »Faggot bedeutet … Schwuchtel.«
    Sie streifte ihn mit einem kurzen Seitenblick. »Wieso nennt er Sie so?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Sind Sie Geschäftsmann?«, fragte sie übergangslos.
    »Nein. Wie kommen Sie denn auf diese Idee?«
    »Weil Sie so gut Englisch sprechen.«
    »Berufsmusiker«, gab er knapp zurück. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie geschwiegen hätte. Nicht, weil er sich nicht mit ihr unterhalten wollte, im Gegenteil, sondern weil er Angst hatte, dass Asad einen Wutanfall bekam, wenn er bemerkte, dass sie ein Schwätzchen hielten. Doch der Geiselnehmer war abgelenkt, da sein Interesse inzwischen vom Funkgerät auf die gesamte Bordelektronik übergesprungen war und er sich gerade alle möglichen Schalter und Hebel und Knöpfe im Cockpit erklären ließ. Dazu hatte er den Piloten von seinen Klebeband-Fesseln befreit.
    Bernd fragte sich, wozu die Unterweisung gut sein sollte. Der Kerl musste doch wissen, dass er den Jumbo unmöglich selbst fliegen konnte, selbst wenn er sich noch so genau nach der Bedeutung der einzelnen Armaturen erkundigte.
    Ernestine gab keine Ruhe. »Berufsmusiker? Muss man dafür Englisch können?«
    Wieder sah er sich ihrem Seitenblick ausgesetzt. »Ich habe über vier Jahre in London gelebt«, raunte er ihr zu. »Da bekommt man einiges mit. Ich war dort an der Royal Opera engagiert.«
    »Wow!«, machte sie leise. Dann erklärte sie: »Ich bin ebenfalls Künstlerin. Schauspielerin. Habe mich voll reingehängt und sogar die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Bonn besucht. Habe dort mit dem Schauspieldiplom abgeschlossen. Doch leider ist der Weg zur großen Karriere steinig, und so spiele ich derzeit fünfmal in der Woche das Rotkäppchen in einer zum Theater umgebauten Grundschule.«
    Nun wandte er den Kopf, um sie anzustarren. Sie war durchaus attraktiv, allerdings auf eine unkonventionelle, ausgeflippte Art. Ihre Haut war schneeweiß, ihr Haare

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