Sturms Flug
nicht mit Terroristen zu tun, die sich in freudiger Erwartung auf die Jungfrauen im Paradies selbst abfackeln wollen, sondern mit hundsgemeinen Verbrechern, die einen Gefolgsmann freipressen wollen, um dann möglichst schnell zu verschwinden.«
»Guter Punkt«, pflichtete Polizeipräsident Dr. Bohne bei. Es waren seine ersten Worte, seit Grillo ihn so rüde zurechtgestutzt hatte. »Sehr guter Punkt. Haben Sie gehört, was der Kollege gerade gesagt hat, Grillo? Keine Terroristen, nur Erpresser. Die werden einen Teufel tun, sich selbst anzuzünden. Ich verlange deshalb, dass Sie Asad die Kanister geben, bevor eine weitere Geisel erschossen wird!«
Grillo schüttelte kaum merklich den Kopf. Sein faltiges Gesicht wirkte mittlerweile unendlich müde. »Es interessiert mich nicht, was Sie verlangen«, sagte er ruhig. »Sie können sich glücklich schätzen, dass ich Ihre Anwesenheit dulde.«
Lohmann sah seinen Onkel nach Luft schnappen. Die angeborene Selbstsicherheit, die er stets an ihm bewundert hatte, war vollkommen verschwunden. Kaum zu glauben, dass er seinen Meister in einem 1 Meter 65 großen Hutzelmännlein gefunden haben sollte.
Der PP echauffierte sich. »Ich werde mich über Sie beschweren, Grillo! So können Sie nicht mit mir umspringen! Auch ich habe Beziehungen. Beziehungen nach ganz oben! Einflussreiche …«
Das Männlein starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an, nur für die Dauer einer Sekunde, doch das brachte ihn zum Schweigen. »Halten Sie die Luft an, Bohne! Begreifen Sie nicht, dass dies der ungünstigste Zeitpunkt ist, um Schwanzlängen zu vergleichen? Als ’77 die Landshut entführt wurde, hatten die Terroristen bereits alle Vorkehrungen getroffen, die Maschine in eine Flammenhölle zu verwandeln. Als Brandbeschleuniger wollten sie hochprozentigen Alkohol aus Bordbeständen benutzen sowie die Nylonstrumpfhosen der weiblichen Passagiere. Ich denke, wir sind uns einig, was passiert wäre, wenn sie die Lunte angezündet hätten.« Er hielt inne, atmete tief und schwer. »Sicher, Asad Aidid ist kein Terrorist, trotzdem ist er unberechenbar. Er ist bereit, bis zum Äußersten zu gehen, das hat er bewiesen. So einem Kerl werde ich keine Lunte in die Hand geben und zusehen, was er damit anstellt. Oder wollen Sie der Erste sein, der in den Überresten eines ausgebrannten Flugzeugwracks nach verkohlten Leichenteilen sucht?«
»Aber …«, stammelte der PP . »Aber wir wissen doch jetzt, dass der Kerl nicht blufft. In weniger als drei Minuten wird er die nächste Geisel hinrichten.«
Grillo nickte. »Wahrscheinlich, und das ist eine Tragödie. Allerdings wird er das nicht einhundertneunzig Mal wiederholen, irgendwann wird er begreifen, dass er damit nichts erreicht. Und besser zehn Opfer oder zwanzig als ein Totalverlust.«
»Irgendwann wird er begreifen?«, schnappte der PP. »Sie haben vielleicht Nerven! Und was gedenken Sie, in der Zwischenzeit zu tun?« Der zänkische Unterton war aus seiner Stimme gewichen. An seine Stelle war Verzweiflung getreten.
Der kleine Mann vergrub das Gesicht in den Händen, rieb sich die Stirn, ließ den Atem geräuschvoll entweichen. Genau wie der Polizeipräsident wirkte er nicht mehr streitbar, sondern einfach nur noch bemitleidenswert. Die Bürde der Verantwortung, die auf seinen mageren Schultern lastete, drohte ihn zu erdrücken.
»Da ich nicht den Eindruck habe«, sagte er leise, »dass wir mit Verhandlungen bei diesem Mann irgendetwas erreichen, werde ich dem Staatssekretär vorschlagen, die Maschine stürmen zu lassen. Die GSG 9 wird das übernehmen, das Hauptquartier in Hangelar wurde bereits informiert, die Vorbereitungen laufen, sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Bis dahin werde ich versuchen, ihn hinzuhalten.« Er wandte sich an einen seiner Mitarbeiter. »Nehmt Kontakt mit der JVA auf. Sie sollen Omar Aidid in ein gepanzertes Transportfahrzeug setzen und bei laufendem Motor zehn Minuten warten lassen. Danach sollen sie ihn wieder aus dem Fahrzeug holen und so schnell wie möglich zu einem Telefon bringen. Ich werde Asad inzwischen glauben machen, dass wir Omars Auslieferung zustimmen. Wenn die beiden anschließend miteinander telefonieren, wird Omar bestätigen, dass seine Freilassung bereits in die Wege geleitet wurde. Ich hoffe, dass sich sein schießwütiger Bruder auf diese Weise halbwegs beruhigen lässt.«
Lohmann sah seinen Onkel kurz zucken, als wollte er erneut protestieren. Doch dann nickte er.
»Die Helden von Mogadischu sollen es
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