Sturms Flug
also richten, wie? Darf ich darauf hinweisen, dass unsere SEK genauso gut ausgebildet sind? Ich könnte auf der Stelle ein Kommando alarmieren. Vielleicht wäre man bei der GSG 9 sogar für etwas Unterstützung dankbar.«
Grillo musterte den PP lange, dann huschte die Andeutung eines Lächelns über sein faltiges Gesicht. »Guter Vorschlag. Ich habe keine Einwände. Wenn Sie das in die Wege leiten möchten, nur zu.«
Dr. Bohne nickte, machte auf dem Absatz kehrt und durchschritt den Raum, um sich sodann am erstbesten freien Platz niederzulassen. Dort griff er zum Telefonhörer. Riedel, der ursprüngliche Einsatzleiter, der mittlerweile gar nichts mehr zu sagen hatte, dackelte hinterher.
Da bemerkte Lohmann, dass Grillo ihn taxierte und schnellen Schrittes auf ihn zukam.
»Und was, zum Kuckuck, haben Sie hier zu suchen?«, wollte er schroff wissen.
»Äh … ja … wir suchen Frau Sturm.«
»Frau Sturm? Schön für Frau Sturm. Und wer ist das? Oder nein, noch besser gefragt: Wer sind Sie? «
»Verzeihen Sie, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Ich bin Bodo Lohmann. Staatsanwalt Lohmann, der Neffe des Polizeipräsidenten. Sehr erfreut.« Er wollte Grillo die Hand geben, bemerkte jedoch, dass dieser keine Anstalten machte, den Handschlag zu erwidern. Deshalb vollführte er eine fahrige Bewegung, um so zu tun, als hätte er von Anfang an beabsichtigt, sich ein Staubkorn vom Sakko zu klopfen. Dann deutete er auf den Zwirbelbärtigen. »Das ist EKHK Wolf. Er war früher einmal Mitglied der Verhandlungsgruppe. Wir kommen geradewegs aus der JVA , wo wir Omar Aidid verhört haben.«
Grillos Miene verriet Skepsis. »Und?«
Lohmann lächelte verlegen. »Wie sich herausgestellt hat, weiß Frau Sturm sehr gut über Asad Aidid Bescheid. Sie kann uns eine Menge über ihn erzählen, möchte ich meinen. Sie ist ihm nämlich begegnet, vor ein paar Wochen, in Somalia.«
Grillos Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Moment mal. Eine Frau, die behauptet, dem Entführer begegnet zu sein … Das habe ich heute doch schon einmal gehört. Diese Frau wollte unbedingt den Einsatzleiter sprechen. Hat dafür sogar mit ihrem Motorrad eine Polizeiabsperrung durchbrochen.« Er sah sich ostentativ um. »Wieso entdecke ich diese mysteriöse Person nirgends?«
Lohmann und Wolf schauten ratlos drein. »Sie sollte eigentlich längst hier sein«, sagte der Jungstaatsanwalt kläglich. »Wir versuchen schon seit geraumer Zeit, sie über ihr Handy zu erreichen.«
Wie um seine Worte zu bekräftigen, hob er das Mobiltelefon und drückte die Wahlwiederholung. Zu seinem großen Erstaunen ging Frau Sturm bereits nach dem ersten Rufzeichen ran, doch noch bevor er auch nur eine Silbe hervorbringen konnte, hörte er sie sagen: »Verrate keiner Menschenseele, dass ich am Apparat bin!«
Hastig zog er sich in eine Ecke zurück und flüsterte. »Äh … wieso nicht? Ihre Anwesenheit …«
Er verstummte, weil sich Asad wieder meldete. Grillo eilte zum Telefon und schaltete den Lautsprecher ein.
»Noch zwei Minuten!«, verkündete der Verbrecher.
»Neunzig«, zählte Asad die Sekunden herunter, »und immer noch keine Kanister in Sicht.«
Er seufzte, Grillo schwieg, Bernd zitterte wie Espenlaub.
Die Mündung der MP i drückte erneut gegen seine Stirn. Kurzzeitig regte sich in ihn der Impuls, Widerstand zu leisten, denn verschlimmern konnte er wahrlich nichts mehr. Inzwischen bereute er es, sich selbst als nächstes Opfer angeboten zu haben. Das war nicht heldenhaft gewesen, sondern schlichtweg idiotisch. Kein vernünftiger Mensch hätte so etwas getan, höchstens eine Mutter für ihr Kind oder ein Liebender für seinen Partner. Doch er war ins Verderben gerannt, um etwas zu beweisen, sich selbst und dem Mann, den er inzwischen hasste, wie er noch nie in seinem Leben jemanden gehasst hatte. Das war erstaunlich, denn erst kurz vor seinem Keniaurlaub hatte er im Kurier einen sehr interessanten wissenschaftlichen Artikel über das sogenannte Stockholm-Syndrom gelesen. Dahinter verbarg sich ein Kuriosum aus der Psychologie, welches bewirkte, dass Geiseln nicht selten freundschaftliche Gefühle für ihre Geiselnehmer entwickelten. Bernd empfand nichts als Hass für Asad.
»Noch achtzig Sekunden«, rief dieser.
Neben dem kranken Wunsch, sich beweisen zu müssen, hatte Bernd sich in der Vorstellung gesuhlt, Tamara würde ihn heimlich beobachten und seinen Mut bewundern. Was für ein ausgemachter Blödsinn! Nun, zumindest war es ihm gelungen, einer
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