Sturms Flug
fand, und dann zur Tür.
Dort lag tatsächlich ein Zettel auf dem Fußboden. Er hob ihn auf und betrachtete ihn. Hanna hatte eine niedliche Handschrift mit kleinen Buchstaben. Er las.
Hallo Musikus,
tut mir leid, dass wir Deinem spontanen Klavierkonzert nicht bis zum Ende lauschen konnten, da wir sonst den Tauchkurs verpasst hätten. Trotzdem: Das, was ich gehört habe, war umwerfend! Es hat mir sehr gefallen.
Tauchen ist im Übrigen nichts für mich. Aber Safari. Ich habe mich vorhin informiert, und da Du nirgends zu erreichen bist, eine Tour gebucht. Das Geld kannst Du mir später geben, ich vertraue Dir. Jetzt gehe ich zu Bett und erwarte Dich morgen früh um Viertel vor fünf in der Hotellobby.
Gute N8!
H.
Er war geplättet. Wie in Trance taumelte er zurück zum Telefon. »Gefunden«, sagte er knapp.
»Hast du keine Lust mehr auf den Ausflug?«
»O nein. Ich meine, o ja, ich brenne darauf! Irgendwie muss ich deine Nachricht übersehen haben, als ich … äh, mitten in der Nacht zurückgekommen bin. Daher dachte ich, das Ganze würde ins Wasser fallen. Entschuldigung.«
»Angenommen. Dann werde ich jetzt also unserem Fahrer mitteilen, dass sich der Aufbruch etwas verzögert. Das dürfte kein Problem sein, schließlich muss nicht unseretwegen eine ganze Reisegruppe warten. Aber beeilen solltest du dich trotzdem.«
»Ich fliege! Bis gleich.«
Er sprang unter die Dusche, putzte sich die Zähne, übergab sich, putzte ein zweites Mal, nahm fünfundzwanzig Tropfen des Medikaments gegen Übelkeit ein sowie zwei Aspirin, dann zog er sich in Windeseile an und stopfte alles in seinen Rucksack, von dem er glaubte, er könne es auf einem Tagesausflug brauchen. Neun Minuten, nachdem er das Telefonat beendet hatte, stand er in der Lobby.
Sein Herz klopfte vor Aufregung, doch dafür waren Übelkeit und Kopfschmerz nur noch halb so schlimm. Lediglich die bleierne Müdigkeit quälte ihn nach wie vor, aber die würde verschwinden, wenn er erst auf der Pritsche des Jeeps stand und ihm der Fahrtwind um die Nase wehte. Hauptsache, er war mit Hanna zusammen. Er konnte sein Glück kaum fassen. Langsam! , ermahnte er sich in Gedanken. Dies ist kein Hochzeitstermin, sondern lediglich ein harmloser Ausflug. Also immer schön auf dem Teppich bleiben!
Er ließ den Blick über die Sitzgruppen schweifen, die überall in der Lobby zum Verweilen einluden. Zu seinem Erstaunen waren bereits etliche Gäste auf den Beinen, vermutlich ebenfalls Ausflügler, die darauf warteten, dass ihre jeweiligen Touren losgingen.
Dann entdeckte er Hanna. Sie sah umwerfend aus mit ihrer blonden Strubbelfrisur, einer runden, in die Stirn geschobenen Sonnenbrille, kurzen Hosen und derbem Schuhwerk. Sie hatte wohl geformte Beine, ihre Haut war knackig braun.
Er zwang sich, sie nicht anzustarren. Dann wurde ihm bewusst, dass sich zwei Männer bei ihr befanden. Der erste war zweifellos der Fahrer, während Bernd den zweiten bereits kennengelernt hatte. Seine Laune sank schlagartig unter den Gefrierpunkt.
Sie sprang auf, als sie ihn sah, und schenkte ihm ein wunderschönes Lächeln. Auch der Fahrer und Robert erhoben sich.
»Guten Morgen«, grüßte Letzterer. Ehe Bernd etwas erwidern konnte, wandte sich Robert an Hanna. »Freut mich, dass wir uns doch noch über den Weg gelaufen sind, auch wenn es nur kurz war. Ich wünsche euch einen aufregenden Tag.« Er nickte Bernd zu, und das keineswegs unfreundlich. Wenige Augenblicke später gesellte er sich zu einer Gruppe Wartender.
Da begriff Bernd, dass Robert ebenfalls an irgendeiner Exkursion teilnahm und sich lediglich die Wartezeit mit Hanna verkürzt hatte.
Der Fahrer, ein kaum zwanzigjähriger Schwarzer namens Jonathan, führte die beiden zum Jeep, der vor dem Hoteleingang stand. Während er sich ans Steuer setzte, kletterten sie auf die Ladefläche. Da waren zwei Sitze, aber auch zwei Haltegriffe gleich hinter dem Führerhaus, sodass die Passagiere während der Fahrt stehen und den Ausblick genießen konnten.
Bernd überprüfte den Haltegriff auf Festigkeit, indem er daran rüttelte. Hanna lachte.
»Los geht’s!«, rief Jonathan und ließ den Wagen anrollen.
Bernd klammerte sich an seinem Griff fest. Der Platz war begrenzt, sodass Körperkontakt unvermeidlich war. Ihr linkes Bein berührte sein rechtes, und er spürte die Wärme ihrer Haut. Das verursachte ihm ein Kribbeln, ein wohliges elektrisierendes Knistern.
Der Wagen flog über eine staubige Piste, während der schmale Silberstreif am
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