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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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Allerwertesten. Das Büchlein war ein wichtiges Beweisstück in einem Ermittlungsverfahren gewesen, und es war einzig Frau Sturms Findigkeit zu verdanken gewesen sowie dem außergewöhnlichen Versteck, dass sie es den Ganoven buchstäblich vor der Nase wegschnappen konnte. Als sie es dann wieder ans Tageslicht befördert hatte, war dabei ihre fliederfarbene Unterwäsche zum Vorschein gekommen. Die hatte in ihm keinerlei Assoziationen zu einer Motorradbraut geweckt, sondern ihn einfach nur an eine verdammt verführerische Frau denken lassen. Punktum!
    Noch heute grübelte er darüber nach, ob ihr die ganze Situation damals überhaupt bewusst geworden war. Eine Reaktion hatte sie jedenfalls nicht gezeigt.
    Etwas außer Atem erreichte er die neunte Etage. Das Treppenhauslicht war inzwischen erloschen, sodass er im Dunklen nach dem Schalter tastete. Als er ihn gefunden und betätigt hatte, entdeckte er das Klingelschild. Hier wohnt Mara , lautete die Beschriftung. Das passte zu ihr.
    Mit Unbehagen stellte er fest, dass seine Hände vor Aufregung schwitzten.
    »Hier wohnt Mara«, sagte er und erschrak, als seine Stimme im Treppenhaus widerhallte.
    Niemals hatte er sie mit ihrem Spitznamen angesprochen oder gar geduzt, trotz ihrer ständigen Ermahnungen, gefälligst mit diesem Frau-Sturm-Unsinn aufzuhören.
    Dass sie ihn einfach so zu sich nach Hause einlud, bescherte ihm indes immer noch ein flaues Gefühl im Magen, denn schließlich lebte sie in einer völlig anderen Welt als er. In einer anderen Welt? In einem anderen Universum!
    Wieder einmal fragte er sich, wie viel Zeit er bisher mit ihr verbracht haben mochte. Nicht allzu viel, wahrscheinlich weniger als zweiundsiebzig Stunden, selbst wenn man alles zusammenrechnete. Da war nur diese eine Woche im August gewesen, in der sie sich regelmäßig gesehen hatten. Umso erstaunlicher, dass er ihr verfallen war und selbst jetzt, fast vier Monate später, immer noch unaufhörlich an sie denken musste.
    Sein Zeigefinger berührte den Klingelknopf, doch anstatt ihn zu drücken, verharrte er. Da war etwas Alarmierendes, das aus der Wohnung ins Treppenhaus drang: Leise Musik sowie ein Geräusch, das sich verdächtig nach Verzweiflung anhörte. Seine Unsicherheit wuchs, was ihn allerdings nicht davon abhielt, das Ohr gegen die Tür zu pressen. Himmel, jetzt konnte er es deutlich hören: Dort drinnen weinte jemand! Zwei Frauen.
    Ratlos pendelte sein Blick zwischen der Beschriftung des Klingelschildes und den Blumen in seiner Rechten hin und her. Er hatte nicht erwartet, dass Frau Sturm außer ihm noch jemanden eingeladen hatte, und noch mehr überraschte es ihn, dass sie gemeinsam mit ihrem Besuch weinte. Für einen winzigen Augenblick redete er sich ein, das Schluchzen käme aus dem Fernseher, doch dann erkannte er ihre Stimme. Ein Zweifel war ausgeschlossen. Am Telefon hatte sie noch fröhlich geklungen, und von einem weiteren Gast war bei dem Telefonat ebenfalls keine Rede gewesen. Folglich musste in der Zwischenzeit etwas vorgefallen sein. Hatte sie eine schlimme Nachricht erhalten? Von einem Unfall? Vom Tod eines Freundes oder nahen Verwandten? Egal, was auch immer es war, es machte den Besuch des flüchtigen Bekannten Bodo Lohmann unangebracht!
    Kurz entschlossen legte er den ungewöhnlichen Strauß gelbe Akazienblüten zwischen allerlei dekorativem Grünzeug neben der Fußmatte auf den gefliesten Boden und wandte sich zum Gehen. Morgen, überlegte er, würde er sie anrufen und herausfinden, was passiert war.
    Da öffnete sich die Wohnungstür. Er zuckte zusammen, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden. Das Gesicht einer älteren Frau mit strenger Hochsteckfrisur und grauen Strähnen tauchte auf, intelligente Augen musterten ihn.
    »Du hast richtig gehört, Mara!«, rief der Mund unter diesen Augen schließlich in Richtung Penthouse. »Hier steht jemand vor der Tür! Wollen Sie nicht hereinkommen, junger Mann? Oder gefällt es Ihnen im Treppenhaus?« Eine Antwort wurde nicht erwartet, die Tür wurde freigegeben. »Sie müssen Bodo Lohmann sein. Mara hat mir eine ganze Menge über Sie erzählt.«
    Ihre Worte klangen so sehr nach Vorwurf, dass er die Essenz daraus nur unterbewusst wahrnahm, nämlich, dass Frau Sturm ihn offenbar für wichtig genug hielt, ihren Bekannten von ihm zu erzählen.
    Ein Räuspern war alles, was er zustande brachte. Hastig hob er den Strauß vom Boden auf und folgte der resoluten Dame. Er hatte keine Ahnung, wer sie war. Frau Sturms Mutter?

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