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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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Bibliothek des Todes, bestehend aus Fachbüchern und Magazinen über AIDS , Krebs, Infarkte, Tumore, über ein Dutzend anderer Leiden, die man niemals bekommen wollte. Und über das Sterben im Allgemeinen und wie man am besten damit umging. Schlaue wissenschaftliche Bücher ebenso wie Ratgeber und Broschüren von Selbsthilfegruppen, ein Flyer der Deutschen Aidshilfe e.V. neben einem des Roten Kreuzes und des Herzforums. Auf einem Zettel hatte Frau Sturm Dutzende von Internetadressen notiert, die erahnen ließen, dass es sich dabei um Newsgroups handelte, in denen Sterbenskranke von ihren Erfahrungen berichteten.
    Er massierte sich die Schläfen. Wieso setzte sie sich derart intensiv mit einem solch unerfreulichen Thema auseinander? So sehr, dass sie sich sogar Notizen über das Gelesene machte? Bisher war sie in seinen Augen die Fleisch gewordene Lebensfreude gewesen, und nun das hier. Unglaublich!
    Er legte die Notiz mit den Internetadressen zurück auf den Tisch und fischte nach einem Schreiben mit dem Briefkopf des Universitätsklinikums Köln. Adressat war Frau Tamara Johanna Alexandra Sturm, geboren am 24. Dezember 1971. Er schmunzelte angesichts der vielen Vornamen. Solche Namenscocktails schienen Familientradition zu sein, denn ihr Bruder Johannes, ein Erzgauner, wie er im Buche stand, hatte ebenfalls zwei weitere Vornamen, wie er wusste.
    Bei dem Schreiben handelte es sich offenbar um die Durchschrift eines Formblattes, auf dem drei fettgedruckte Worte ins Auge stachen: Einverständniserklärung, Belehrung und RT-PCR -Test . Besonders Letzteres hörte sich wissenschaftlich an und weckte deshalb sofort sein Interesse.
    In diesem Moment entrüstete sich hinter ihm eine weibliche Stimme. »Das ist ja die Höhe! Da schnüffelt dieser Mensch doch tatsächlich in meiner Privatsphäre herum!« Der Tadel klang nicht echt, die Empörung war gespielt.
    Er ließ den Brief auf den Tisch zurückfallen, sprang wie von der Tarantel gestochen auf und wirbelte um die eigene Achse.
    Vor ihm stand seine heimliche Liebe, Tamara Johanna Alexandra Sturm. Doch ihr Anblick war ein Schock!

Kapitel 7
    »Hallo«, brachte Lohmann hervor. Er war bestürzt. Sie sieht vollkommen verändert aus , durchfuhr es ihn.
    »Hallo«, entgegnete Mara. Bodo, Bodo, du siehst kein bisschen verändert aus in deinem gestärkten Hemd und den karierten Golfhosen. Ich dachte, du wolltest lockerer werden.
    Er starrte sie mit offenem Mund an. Sie hat geweint , stellte er fest. Obwohl er das vermutet hatte, schockierte ihn die Gewissheit, da Weinen so gar nicht zu ihr passen wollte.
    Sie war verlegen. Hoffentlich sehe ich nicht allzu verheult aus. Sie bemühte sich um eine forsche Miene, die ihr jedoch, davon war sie überzeugt, kläglich misslang.
    Es entstand eine kurze und peinliche Stille.
    Dann, gleichzeitig und wie auf ein geheimes Zeichen, machten beide einen Schritt aufeinander zu. Während er versuchte, ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu hauchen, wollte sie ihn freundschaftlich umarmen. Dabei kamen sie sich gegenseitig in die Quere und stießen fast mit den Köpfen zusammen, sodass weder der Kuss gelang, noch die Umarmung zustande kam.
    Schließlich schafften sie es irgendwie, sich zumindest die Hand zu geben.
    Himmeldonnerwetter! , durchzuckte es ihn, während er sich noch über den missglückten Kuss ärgerte, den er lange vor dem Spiegel geübt hatte, mit Robert de Niro in Form eines lebensgroßen Pappaufstellers, der aus seinem Lieblingskino um die Ecke stammte. Sie hat immer noch den Händedruck eines Eisenbiegers. Das kam vom stundenlangen Festhalten des Motorradlenkers, wie sie ihm einmal erklärt hatte. Obwohl sie ihm fast die Finger zerquetschte, genoss er die Berührung. Ihre Haut war weich und warm.
    »Himmeldonnerwetter!«, sagte sie. »Deine Finger fühlen sich an wie erfroren. Bist du schon lange tot?« Irgendwie brachte sie ein Lächeln zustande.
    Er erwiderte es nicht. »Es ist Dezember«, gab er steif zurück. »Für die Nacht ist Frost gemeldet.«
    »Dann wird es Glatteis geben.«
    »Ja. Davor wurde im Wetterbericht gewarnt.«
    Unfassbar, wie sehr sie sich verändert hatte! Er starrte sie immer noch an, unfähig, die offenkundige Musterung zu unterlassen, obwohl ihr das Starren natürlich nicht entging.
    »Okay, junger Freund«, zischte sie mit rasiermesserscharfer Stimme, »mein neues Aussehen gefällt dir nicht, das habe ich begriffen.«
    Er hob an, um zu protestieren, doch wieder schnitt ihm die Rasiermesserstimme das

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