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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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wieder an ihn. Er roch so gut. Sein Aftershave, Davidoff Cool Water, vermischte sich mit seinem körpereigenen Geruch zu einer Note, die ihr mittlerweile so vertraut war, dass sie Tom immer und überall mit verbundenen Augen hätte erkennen können, wenn sie nur an ihm schnüffelte.
    An diesem Abend hatte sie ihn zum ersten Mal sauer erlebt, nachdem sie mit über einstündiger Verspätung im Restaurant angekommen war – gerade noch rechtzeitig, denn er hatte bereits Anstalten gemacht aufzubrechen. Klar, sie hätte ihn anrufen sollen, sich entschuldigen, ihm mitteilen, dass sie sich verspäten würde, doch angesichts der Havarie in Unterwäsche und der damit verbundenen Aufregung hatte sie diese Bringschuld schlicht und ergreifend vergessen. Die Erinnerung an das unselige Ereignis bescherte ihr augenblicklich eine Gänsehaut, trotz der schweren, heißen Luft im Schlafzimmer.
    Da waren diese Typen gewesen, die vor der Videothek herumgelungert hatten. Der Erste von ihnen, der zu Mara in ihrer gestrandeten Ente herübergeschlendert war, hatte ein Zungenpiercing gehabt, Kaugummi gekaut und ein Kapuzenshirt mit der Aufschrift Dick Fich selber! getragen. Er war um die zwanzig gewesen.
    »Hi, ich bin Ronny«, hatte er sich vorgestellt und sogleich den gefürchteten Allerweltsspruch »Haste ma ’ne Kippe?« hinterhergeschoben. Dabei hatte er sich betont lässig am Wagendach abgestützt und hinabgebeugt. Und dann erst war ihm Maras Outfit aufgefallen.
    Seine Augen wurden groß und sein Blick lüstern, sein Piercing blitzte. Erst tastete er ihren Busen ab – visuell, versteht sich –, dann starrte er ihr unverblümt auf die Schenkel und das, was er dazwischen zu sehen hoffte.
    Mara konnte sich nicht erinnern, jemals in ihrem fast vierzigjährigen Leben solche Scham empfunden zu haben.
    »Muss das sein?«, fragte sie schließlich, während sie in Gedanken verzweifelt nach einem fetzigen Spruch suchte, der geeignet war, Mister Obermacker mit dem Zungenpiercing zu beeindrucken, am besten so nachhaltig, dass er aufhörte, sie anzugaffen. Müßig zu erwähnen, dass ihr keiner einfiel. Aber die gewünschte Zigarette reichte sie ihm, und obwohl sie aufhören wollte, steckte sie sich ebenfalls eine an. Ihre Hände zitterten.
    Ronny dachte gar nicht daran, mit dem Starren aufzuhören. Lachend wollte er wissen: »Das issn Witz, oder? Bist du vom Fernsehen? Verstehen Sie Spaß oder so was?«
    »Trocken gefahren«, gab sie lapidar Auskunft.
    Was fiel dem Burschen eigentlich ein, sie zu duzen? Scheiße, sie musste unbedingt etwas unternehmen, um den Knilch loszuwerden. Nur was? Sie nahm einen einzigen, abgrundtiefen Zug und warf die Zigarette sogleich aus dem Fenster. Was tun? Stocksteif klammerte sie sich am Lenkrad fest, dann griff sie hastig neben sich zwischen die Sitze, langte nach dem Flachmann, der dort seit Wochen lag, und setzte ihn an die Lippen. Der scharfe Geruch von Hochprozentigem stieg ihr in die Nase, als ein Tropfen über ihr Kinn rann und in dem nicht vorhandenen Ausschnitt versank.
    Ronny hatte seine helle Freude. Er jauchzte und ließ einen Redeschwall los, in dem hauptsächlich Vokabeln wie Alter , krass und als Bindewort ey vorkamen. Der Junge war ein Klischee auf zwei Beinen.
    Wortlos reichte sie ihm den Flachmann durch das Fenster, was er cool fand. »Haste immer Dope dabei?«
    »Klar«, sagte sie mechanisch, wodurch sie – ohne es zu beabsichtigen – endgültig in seiner Welt der coolen Leute ankam, auch wenn der Schnaps in Wahrheit nicht ihr gehörte, sondern ihrem Kollegen Schmitz; sie hatte ihn in seiner Schreibtischschublade gefunden und selbstverständlich requiriert, da sie ihm Ärger ersparen wollte.
    Schließlich schickten sich Ronnys Freunde an, nachzusehen, mit wem sich ihr gepiercter Kumpel da so lange unterhielt.
    »Kannst du die wegschicken?«, fragte Mara. »Bin unpassend angezogen für Besuch …« Ihr Bemühen um einen gleichmütigen Tonfall scheiterte, doch Ronny schien es nicht zu merken. Er grinste, überlegte eine Sekunde, und dann beschloss er, seinen Freunden den Anblick halbnackter Tatsachen vorzuenthalten, den er bis dahin so ungeniert genossen hatte. Blitzschnell zog er das Kapuzenshirt aus – darunter kamen zwei gepiercte Brustwarzen zum Vorschein – und reichte es ihr. Sie streifte es dankbar über, obwohl es durchgeschwitzt war. Außerdem war es mindestens drei Nummern zu groß, sodass es ihr bis zu den Schenkeln reichte. Glück im Unglück.
    Dann ging alles rasend schnell.
    Der

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