Sturms Jagd
coole Ronny, jetzt edler Ritter in goldener Rüstung, überzeugte seine Freunde davon, dass die Frau in der Ente cool sei und Hilfe brauche. Also schoben sie den Wagen in eine Parklücke, wo er niemanden behinderte, und dann postierte sich die gesamte Gang ringsum, um Passanten davon abzuhalten, hineinzuschauen. Ein Heidenspaß für die Jungs, eine Peinlichkeit sondergleichen für Mara.
Gottlob traf Anne kurz darauf ein, die Gute, mit einem Bademantel im Gepäck. Mara fiel ein Felsblock in der Größe des Mount Everest vom Herzen, und die Erlösung sorgte sogar für einen Anflug von Übermut; sie gab Ronny sein Shirt zurück, zwinkerte ihm zu, und dann, als keiner hinschaute, riss sie vor seinen Augen den Bademantel auf, natürlich nur für eine Sekunde. Obwohl er dabei im Grunde nur die Unterwäsche zu sehen bekam, die er sich schon zuvor ausgiebig angeschaut hatte, klappte sein Mund weit auf.
Sie zwinkerte ihm ein zweites Mal zu, nahm ihre Abendgarderobe aus dem Kofferraum und stieg schleunigst zu Anne ins Auto. Um ihre Ente würde sie sich am nächsten Tag kümmern, dafür gab es schließlich den ADAC. Gott sei Dank wohnte Anne nur fünf Autominuten entfernt. In ihrem Badezimmer machte sich Mara zurecht, um sich anschließend zum Balkanrestaurant Hrvatska fahren zu lassen, das nicht nur ein Restaurant war, sondern überdies eine ziemlich ausgefallene Cocktail-Bar. Das ganze Spiel führte zu einer Verspätung von einer Stunde und zehn Minuten.
Tom war zuerst erbost gewesen, doch als sie ihm erzählt hatte, was ihr widerfahren war, hatte er sie zunächst ungläubig angestarrt und dann herzhaft gelacht. Mara, mittlerweile wieder halbwegs entspannt, hatte mit ihm gelacht, und der Abend war doch noch versöhnlich zu Ende gegangen.
Nun, fast versöhnlich, denn eine kleine Wolke trübte den Horizont: Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm zu offenbaren, dass sie bereit war, sich auf eine gemeinsame Zukunft mit ihm einzulassen. Das war freilich kein Rückzieher, die Entscheidung stand felsenfest, doch ihre feierliche Stimmung hatte angesichts der ganzen Aufregung so sehr gelitten, dass sie den großen Moment auf einen späteren Termin verschieben wollte.
Also hatte sie ihm die Sternenkarte geschenkt und ihm gesagt, dass sie ihn liebte, nicht mehr und nicht weniger. Tom hatte gestrahlt und ihr unentwegt Komplimente gemacht wegen ihres Aussehens, des Kleides, der Frisur, ihrer Schönheit. Offenbar hatte sich die Investition in ein neues Outfit gelohnt.
Sie seufzte leise und betrachtete die Silhouette seines nackten Körpers.
Er war ein toller Mann, der nicht nur gut aussah und noch besser roch, sondern obendrein über Bildung und Intelligenz verfügte. Im Restaurant sprach er mit dem Kellner fließend Kroatisch, was eine große Überraschung für sie gewesen war, da er dieses Talent nie erwähnt hatte. Auffällig war lediglich, dass er oft und gern vom Balkan erzählte, speziell von Kroatien, wo er häufig geschäftlich zu tun hatte. In seinen Reiseberichten schwärmte er von den Nationalparks, von Paklenica, Risnjak, Mljet und wie sie alle hießen; von der Modra špilja, der Blauen Grotte von Biševo; von der Schönheit der Städte, von Split, Zagreb und Dubrovnik.
Und noch etwas hatte sie an diesem Abend zum ersten Mal an ihm gesehen, das ihr bis dahin noch nicht aufgefallen war. Nun, im Halbdunkel, konnte sie es nicht erkennen, doch seit der gemeinsamen Dusche vor zwei Stunden wusste sie, dass es da war.
Klar, dass Tom im Bad seine Uhr ausgezogen hatte. Diese war groß und klobig, fast monströs, und sie passte kein Stück zu der dezenten Eleganz, die ihm sonst so wichtig war. Durch das Fehlen des Riesenweckers war Mara die Tätowierung an seinem Handgelenk aufgefallen. Diese befand sich an der Unterseite des Arms, genau dort, wo man normalerweise den Puls fühlt. Das Motiv hatte sie schockiert und verwirrt zugleich.
»Was bedeutet das?«, hatte sie gefragt und auf den Raubvogel, die beiden gekreuzten Sturmgewehre und den darunter befindlichen Schriftzug Falcon Brigade gezeigt.
Tom hatte eilig die Hand weggezogen und herumgedruckst wie ein kleiner Junge. »Nichts«, hatte er versichert, »das hat rein gar nichts zu bedeuten. Es ist … eine Jugendsünde, weißt du? Bedeutungslos.« Dann war er aus der Dusche gestürzt und hatte die Uhr wieder angezogen, um das Tattoo zu verdecken.
Maras Neugier war erwacht. Sie hatte ihn nochmals gefragt, doch da war er fast böse geworden. Also hatte sie ihn in Ruhe
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