Sturms Jagd
gelassen und ihre misstrauischen Gedanken verbannt.
Abermals stieß sie einen leisen Seufzer aus. Wie konnte sie dem Mann misstrauen, an dessen Seite sie alt werden wollte? Pfui Teufel! War sie noch ganz bei Trost? Tom hatte wahrlich Besseres verdient als das Misstrauen einer übereifrigen Polizistin, denn er war stets offen und ehrlich zu ihr, zeigte Interesse an ihrem Leben, an ihrer Arbeit, an allem, was sie bewegte. Erst vorhin beim Cocktail hatte er sie fasziniert über den Entführungsfall Laura ausgefragt, nachdem Mara kurz zuvor von ihren Erlebnissen des Tages erzählt hatte. Natürlich spürte er, wie sehr sie dieser Fall bewegte. Und sie wiederum spürte, wie stolz er gewesen wäre, wenn sie verkündet hätte, kurz vor der Aufklärung zu stehen. Doch leider war sie davon noch einen entscheidenden Schritt entfernt, und das hatte sie ehrlich zugegeben. Vielleicht würde das Verhör eines gewissen Petrow die Wende bringen, hatte sie erklärt.
Der Gedanke war kaum verraucht, als sie wie vom Blitz getroffen hochfuhr. Halb fünf, doch keine Nachricht vom Observationsteam, das vor Petrows Haustür auf der Lauer lag. Inzwischen musste der Kerl doch heimgekehrt sein. Wieso hatten sich die Kollegen noch nicht gemeldet?
»Mist!«, fluchte sie im Flüsterton. »Ich hab mein Handy im Auto liegen lassen.«
»Was ist los, mein Stern?« Tom blinzelte sie verschlafen an.
Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Ich muss mal dringend telefonieren«, sagte sie. »Dienstlich. Schlaf weiter.«
Sie eilte ins Wohnzimmer und griff zum Telefon, um die Nummer der K-Wache zu wählen. Während sie das Freizeichen hörte, musste sie sich mit einer Hand am Esstisch festhalten, da ihr schwindlig war.
»Kriminaldauerdienst«, tönte es aus dem Hörer. »Mein Name ist Westerhausen, wie kann ich Ihnen helfen?«
Na toll, ausgerechnet Westerhausen, der alte Miesepeter.
»Hier ist Mara«, sagte sie, ohne sich mit Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten, »Mara vom KK 21. Ich bin an einem Entführungsfall dran. Aus diesem Grund habe ich heute Nachmittag die Observation eines Verdächtigen veranlasst. Bist du von den Kollegen des Spätdienstes informiert worden?«
»Bin ich«, antwortete Westerhausen kurz angebunden. Er klang gehetzt und hob die Stimme, denn um ihn herum herrschte ein heilloses Durcheinander. Mara hörte Türenknallen, hin- und herlaufende Leute sowie eine Diskussion, die in beträchtlicher Lautstärke geführt wurde. Offenbar war etwas vorgefallen, das für einigen Wirbel sorgte.
Sie ignorierte den Lärm und konzentrierte sich auf ihren Fall. »Hat sich das Obs-Team schon gemeldet? Ist mein Verdächtiger aufgetaucht?«
Westerhausen schien ihr kaum zuzuhören. »Nein, ist er nicht. Jedenfalls habe ich noch keine Rückmeldung erhalten. Warte mal.«
Sie hörte, dass er mit jemandem sprach, der neben ihm stand, konnte jedoch den Sinn der Unterhaltung nicht verstehen, sondern nur einzelne Wortfetzen aufschnappen. Einer dieser Wortfetzen ließ sie aufhorchen, ihre inneren Alarmglocken läuteten augenblicklich Sturm.
»So, da bin ich wieder«, meldete sich Westerhausen. »Sonst noch was?«
»Allerdings. Mit wem hast du gerade gesprochen?«
Die Frage überraschte Westerhausen, doch er gab die gewünschte Auskunft, wenngleich mit deutlich vernehmbarem Widerwillen. »Mit einem Kollegen von der Spurensicherung. Die sind gerade dabei auszurücken, alle Mann, volles Programm. Haben einen Tatort, draußen im Königsforst, auf dem Parkplatz an der L 284. Deshalb das Chaos hier. Ich muss jetzt auch los.«
»Ein Tatort? Was ist passiert?«
Westerhausen brummte etwas, das unfreundlich klang, dann stellte er übergangslos eine Gegenfrage: »Sagt dir der Name Bukowski etwas? Dirk Bukowski?«
»Nein, wer ist das?«
»Ach, nur so ein militanter Spinner.« Auf einmal wurde der Kollege überraschend redselig. »Rennt in Tarnklamotten durch die Gegend, trägt ein Survival-Messer bei sich, sammelt Waffen. Seine neueste Errungenschaft: ein Zielfernrohr, wie es normalerweise nur vom Militär benutzt wird. Er war sogar mal Inhaber eines Jagdscheins, doch den hat ihm die Untere Jagdbehörde schon vor Jahren entzogen. Jetzt besteht seine Lieblingsbeschäftigung darin, für Recht und Ordnung zu sorgen. Er ist ein Freizeitpolizist, der gelegentlich handgreiflich wird, wenn jemand Müll ins Gebüsch wirft oder im Halteverbot parkt. So ein selbstgerechter Weltverbesserer eben. Nun, vor … hmmm, vor ungefähr fünfeinhalb Stunden
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