Sturms Jagd
gut, Akku voll. Sie hatte noch nicht angerufen.
Um Viertel nach eins beschloss er, sich eine sinnvolle Beschäftigung zu suchen, falls er nicht binnen fünf Minuten eingeschlafen war.
Unglaublich, was ihm alles durch den Kopf ging.
Punkt halb zwei befreite er sein Kissen und die Bettdecke von den Bezügen, um zwanzig vor sann er über ein mögliches Leben im Jenseits nach, um fünf vor zwei schwankte er in Unterhosen Richtung Küche und stürzte einen halben Liter Eistee hinunter, was ihm kurzzeitig stechende Kopfschmerzen sowie Magenkrämpfe bescherte. Als diese nachließen, machte er sich daran, Spaghetti Bolognese zu kochen, nicht, weil er wirklich hungrig war, sondern immer noch auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung.
Der Knoten im Bauch, der ihn nicht zur Ruhe kommen ließ und den er ein paar Stunden lang halbwegs erfolgreich unterdrückt hatte, meldete sich plötzlich wieder mit aller Macht, und vor seinem geistigen Auge manifestierte sich das Bild einer beeindruckenden Frau, die ihr T-Shirt lüftete und ein Fahrtenbuch ans Tageslicht zerrte. In seiner Erinnerung sah er ihre gebräunte Haut, ein sanftes Tal zwischen Hosenbund und T-Shirt-Saum, mit winzigen blonden Härchen und glitzernd vor Schweiß. Und er sah ihren Slip, von dem er nur ein Zipfelchen hatte ausmachen können, doch die Vorstellung war so lebhaft, dass er augenblicklich eine Erektion bekam.
Ob sie tätowiert war? Sylvia mit dem Pferdegebiss war tätowiert, auf dem rechten Schulterblatt, und auch viele der meist jungen Frauen und Mädchen beim Badminton trugen ihre Tattoos ungeniert zur Schau. Hoffentlich war Frau Sturm nicht tätowiert.
Er nahm den Topf vom Herd und fragte sich, ob er noch ganz dicht war, dass er solch irrwitzige Gedanken überhaupt zuließ. Hirngespinste waren das! Sie war wesentlich älter als er, wahrscheinlich verheiratet, sie kannte ihn nicht, und er kannte sie nicht. Daneben gab es noch schätzungsweise ein halbes Dutzend anderer Gründe, die gegen eine Verbindung sprachen. Ob sie tätowiert war oder nicht, konnte ihm demnach schnurzegal sein. Teufel, wo war der Verstandesmensch geblieben, für den er sich immer gehalten hatte?
Er stocherte in seinem Essen herum, doch das half nicht, den Ständer wieder weich zu machen und die Fantasien zu vertreiben. Vielleicht würde ihn eine kalte Dusche zur Vernunft bringen?
Zwanzig Minuten später verließ er das Bad, halbwegs erfrischt und tadellos rasiert. Nie zuvor hatte er sich um halb drei Uhr nachts rasiert.
Und nun? Ans Einschlafen war nun noch weniger zu denken als vorhin. Plötzlich kam ihm ein alarmierender Gedanke, er eilte zu seinem Handy. Hoffentlich hatte er nicht ihren Anruf verpasst, während er im Bad gewesen war. Nein, Glück gehabt.
Er überlegte, ob er zu einem Fachbuch greifen sollte, nahm jedoch an, dass zum Lernen momentan nicht der richtige Zeitpunkt war. Also entschied er sich für ein Schachspiel gegen den Computer. Er spielte drei Partien, kassierte drei Niederlagen, dann gab er es auf und stellte lieber eine Internetverbindung her, um beim Versandhaus Amazon die DVD Hände wie Samt mit Eleonora Giorgi und Adriano Celentano zu bestellen. Als das erledigt war, beschloss er, ein paar Dinge zu recherchieren, die ihn schon den ganzen Tag über beschäftigten.
Er gab den Namen Victor Smertin ins Textfeld der Suchmaschine ein, allerdings nur, um festzustellen, dass dabei nichts Sinnvolles herauskam außer zahlreiche Branchenbucheinträge für die Victor Smertin Schlachtbetriebe OHG , für den Victor Smertins Feinkost- und Delikatessenhandel sowie für Smertins Russische Spezialitäten . Die einzige Schlussfolgerung, die sich daraus ziehen ließ, war, dass Smertin mehrere Firmen besaß. Leider fand Lohmann nichts über die Victor Smertins Kokainhandelsgesellschaft mbH oder den Victor Smertins Frauenentführungen e.V.
Er war enttäuscht, obwohl das Ergebnis nicht überraschte.
Einer spontanen Idee folgend, tippte er einen anderen Namen als Suchbegriff ein: Tamara Sturm. Ein paar Mausklicks später fand er sich in den Nachrichtenarchiven von Kurier, Express und Stadtanzeiger wieder.
Dort entdeckte er eine Unmenge von Artikeln über die Kriminalbeamtin Tamara S., die Pistolen-Lady, die sich größtenteils mit einem tödlichen Schuss auf einen Zuhälter und mit dem anschließenden Skandal um eine verschwundene Akte befassten. Die Meldungen waren rund ein halbes Jahr alt, und Lohmann hatte zu dieser Zeit wie ein Verrückter für sein erstes
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