Sturms Jagd
wie Könige. Ich befinde mich dann bereits auf dem Weg nach St. Petersburg, wo mein neuer Palast stehen wird. Was ihr macht, ist eure Sache.« Er hatte gelacht, die Achseln gezuckt. »Königen kann man schließlich keine Vorschriften machen.«
Die Glorreichen Sieben lachten ebenfalls, zwei applaudierten.
Ihr Erscheinungsbild war wild und militärisch, denn bis auf einen, Pjotr Petrow, trugen sie allesamt schwarze Overalls und Kampfstiefel. Nachher, kurz bevor sie zum Wagen hinuntergingen, würden sie noch Sturmhauben überziehen, ebenfalls schwarz, sowie Kevlarhelme mit Visier, schusssichere Westen und sogar kugelfeste Manschetten. Diese schützten Arme und Beine. Zudem würde sich jeder von ihnen mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr bewaffnen, mit jener mörderischen Artillerie, die geeignet war, jeden Widerstand zu brechen. Doch das war selbstverständlich rein hypothetisch, denn es würde keinen Widerstand geben.
»Zu Tisch, Freunde!«, rief Smertin. Die Anspannung ließ ihn plappern wie einen Wasserfall, und die Vorfreude auf die Millionen machte ihn jovial wie nie. In dieser Laune wirkte er fast sympathisch. »Lasst uns speisen!«
Vor der gläsernen Fensterfront war eine lange Tafel aufgebaut, bestes Porzellan und Kristall glänzten. Während die Männer zögernd mit den Füßen scharrten – keinem war nach Essen zumute –, bediente Smertin die Sprechanlage auf seinem Schreibtisch. Fast gleichzeitig öffnete sich die Tür, und mindestens zehn Kellner schwirrten herein, die vollbeladene Tabletts trugen oder Servierwagen vor sich herschoben. Das herrliche Aroma gebratener Köstlichkeiten umfing sie, und dann wurde aufgetafelt: Kaviar, Lachs, dazu Rotwein und Wodka, mindestens zehn Sorten Brot, Pfifferlinge, Eier, Wurst in allen Farben, Formen und Größen, verschiedene Braten, kalte wie warme, eine Käseplatte, die so umfangreich war, dass sie einen ganzen Servierwagen mit Beschlag belegte, und frisches Obst in Schalen, dazu noch mehr Wein und noch mehr Wodka.
Nachdem alles angerichtet war, nahm hinter jedem Stuhl ein Kellner Aufstellung, in respektvollem Abstand. Wie es aussah, war Smertin schon jetzt in den königlichen Palast eingezogen.
Kippe war der Einzige, der sich rührte. Er warf dem Russen einen fragenden Blick zu, und als dieser aufmunternd nickte, rieb er sich die Hände, um gleich darauf den erstbesten Stuhl zu entern. Er saß kaum, da hörte man ihn bereits schmatzen. Pjotr Petrow und sein Kumpel Dimitrij folgten dem Beispiel des laut kauenden Ungeheuers.
»Und ihr?« Smertin wandte sich an die Übrigen. »Ihr wollt mir doch nicht die Freude verwehren, mit euch zu speisen? Dies ist unsere letzte Zusammenkunft, ab morgen gehen wir getrennte Wege.« Sein Tonfall war liebenswürdig, fast herzlich.
»Nichts für ungut, Victor, aber ich bringe keinen Bissen runter.« Das war Anastas, der ehemalige Rennfahrer, der nachher hinter dem Steuer eines Geldtransporters sitzen würde.
Die anderen nickten beipflichtend: der gut aussehende Gigolo mit der Tätowierung der Falcon Brigade , der lange Lulatsch mit dem Spitznamen Hungerturm, der Elsässer Maxime, der sich so trefflich mit Computern auskannte.
»Kommt schon, Freunde, wollt ihr mich beleidigen?« Smertins Stimme klang immer noch liebenswürdig, und seine Gestik war die eines waschechten Paten, dem das Wohl seiner treuen Sippschaft am Herzen lag. »Wenigstens eine Kleinigkeit. Ihr müsst unbedingt von den Pfifferlingen kosten, die sind vorzüglich.«
Er eilte zur Tafel, nahm vier Teller und schaufelte reichlich Pilze darauf. Diese waren, wie alles andere, frisch zubreitet und dufteten delikat, obwohl sie natürlich nicht recht zu dieser frühen Uhrzeit passten. Dann riss er Kippe, Pjotr und Dimitrij die Teller weg und füllte sie ebenfalls mit Pfifferlingsragout. Der fette Irokese kicherte, die anderen wunderten sich und wagten nicht zu protestieren, denn jeder wusste, dass Smertins gute Laune nur aufgesetzt war, ein Produkt seiner Erregung, und dieser Zustand machte ihn noch unberechenbarer als sonst.
Schließlich saßen alle am Tisch und stocherten mit dem Silberbesteck im Essen herum, abgesehen von Kippe, der mit echtem Appetit aß, und abgesehen von Hungerturm, der seinem Namen alle Ehre machte und nichts weiter zu sich nahm als Kaffee.
Smertin wandte sich an Gigolo. »Hast du das Flintenweib erledigt, Towarisch ?« Während er sprach, schob er sich eine Scheibe Braten zwischen die Zähne und spülte sie mit reichlich Wodka hinunter.
Der
Weitere Kostenlose Bücher