Sturms Jagd
Lauschen.«
Der Polizist wollte etwas einwerfen, doch sie kam ihm zuvor. »Er hat sich an meinem Auto vergriffen, hat die Antenne abgebrochen und eine Gravur auf der Motorhaube hinterlassen. Wollen Sie wissen, was dort steht? Ich sage es Ihnen: Hure. Wie sieht es damit aus, ist das ebenfalls nicht verboten?«
Ihr Wagen war ein fünfzehn Jahre alter, klappriger Corsa, der fast auseinanderfiel. Er stellte keinen wirklichen Wert mehr dar, doch Lauras finanzielle Mittel reichten nicht für ein neues Gefährt. Sie war deshalb darauf bedacht, es so gut wie möglich in Schuss zu halten, und das schloss eine abgebrochene Antenne genauso aus wie mutwillige Lackkratzer.
Der Ordnungshüter runzelte die Stirn. »Haben Sie ihn dabei beobachtet, wie er sich an Ihrem Auto zu schaffen gemacht hat? Können Sie Zeugen benennen?«
Sie schüttelte den Kopf und fragte sich ernsthaft, ob sie sich im Gebäude geirrt hatte und in einer Anwaltskanzlei gelandet war statt auf einer Polizeiwache. Wieso gab sich dieser Haarspalterso viel Mühe, Rollos Verhalten zu entschuldigen? Dann kam ihr ein gänzlich anderer Gedanke. »Wenn er erst anfängt, mir die Reifen plattzustechen …«
»Hausfriedensbruch«, sagte der Beamte unbeeindruckt. »Hausfriedensbruch ist das Einzige, weshalb Sie ihn anzeigen können. Sein widerrechtliches Eindringen ins Treppenhaus stellt eine Straftat gemäß Paragraf 123 StGB dar. Doch glauben Sie mir, wegen Hausfriedensbruch wird ihn kein Gericht der Welt jemals einsperren, selbst wenn er die nächsten hundert Jahre nicht aufhört, Sie zu besuchen.«
»Er macht mich wahnsinnig«, flüsterte Laura. Im nächsten Moment fing sie an zu schreien. » Sie machen mich wahnsinnig! Was ist, wenn er mir etwas antut? Wenn er mich erschlägt? Oder sich an meinen Kindern vergreift? Ich habe es Ihnen doch bereits erklärt: Wenn er getrunken hat, ist er unberechenbar. Fragen Sie hinterher auch noch nach Zeugen und beten mir den Paragrafen für Hausfriedensbruch vor?«
Der Beamte starrte sie an, als hätte er es mit einer komplett Schwachsinnigen zu tun. Dann wiegelte er ab. »Na, hören Sie mal, wir reden hier über einen ausgeflippten Eifersüchtigen, über einen jungen Mann, der nicht damit klarkommt, dass Sie mit ihm Schluss gemacht haben. Das stempelt ihn nicht gleich zum Meuchelmörder, oder?« Er verzog das Gesicht, was entfernt wie ein Lächeln aussah. »Glauben Sie mir, der wird sich wieder beruhigen. Mit solchen Fällen haben wir tagtäglich zu tun. Ist nichts Besonderes.«
»Nichts Besonderes? Vielen Dank!«
Sie hatte fluchtartig die Wache verlassen. Der Polizist hatte ihr die Empfehlung hinterhergerufen, sich nach einer Garage umzusehen. »Wegen der Reifen …«
Idiot!
Die Kleinen, Vincent und Mona, hatte Laura bis auf Weiteres zu ihren Eltern aufs Land gebracht, wo sie sicher waren. Nicht auszudenken, was geschehen mochte, wenn Rollo irgendwie an die Kleinen herankam, beispielsweise indem er sie im Uni-Kindergarten abholte. Wenn er den Zwergen etwas antat, das schwor sie sich, würde sie ihn ohne mit der Wimper zu zucken umbringen.
Nachdem die beiden allerdings außer Gefahr waren, hatte sie angefangen zu kämpfen. Sie hatte sich im Internet über Möglichkeiten informiert und selbst versucht, sich ihren Ex vom Hals zu halten. Dazu war sie noch einmal zur Polizei gegangen, doch diesmal nur, um sich die Protokolle der Einsätze aushändigen zu lassen, bei denen Rollo wegen Ruhestörung und Hausfriedensbruch vor die Tür gesetzt worden war. Derart gerüstet, war sie zum Amtsgericht gegangen.
Und siehe da, der zuständige Richter hatte noch am selben Tag etwas bestimmt, das sich Ordnungsverfügung nannte. Der engstirnige Polizist hatte nämlich keine Ahnung gehabt, als er behauptete, Rollo habe nichts Verbotenes getan, denn da gab es den sogenannten Stalking-Paragrafen , ein nagelneues Gesetz, das beharrliches Nachstellen mit Strafe ahndete. Darauf berief sich der Richter, und die von ihm erlassene Verfügung besagte, dass Herr Roland Meier zukünftig Abstand von Frau Laura Magdalena Rosenzweig zu halten hatte. Laut Bestimmung durfte dieser Abstand nicht geringer als fünfundzwanzig Meter sein. Das Ganze war Laura anfangs lächerlich vorgekommen, gut gemeinte Worte auf einem Stück Papier, und sie hatte ihre Bedenken kundgetan. Noch immer klangen ihr die empörten Worte des Richters in den Ohren: »Das ist ein amtliches Dokument«, hatte er sich entrüstet, »eine behördliche Anordnung. Notfalls wird ihr mit Zwang
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