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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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entdecken, und sie musste zweimal um den Block kreisen, ehe sie eine fand, ungefähr vierhundert Meter vom Haus entfernt.
    Sie stellte das Auto ab, kurbelte das Fenster hoch, tastete im Fußraum der Beifahrerseite nach ihrem Rucksack, der vorhin bei einem Bremsmanöver vom Sitz gerutscht war. Dummerweise war er genau in dem Karton gelandet, in dem sie ihre Malutensilien transportierte. Dort lag er inmitten eines Sammelsuriums von Pinseln, Farben und Lösungsmitteln. Sie schimpfte, als er umso unerreichbarer in den Untiefen des Kartons verschwand, je intensiver sie danach fischte. Das Röhren des aufheulenden Motors, das sich von hinten näherte, nahm sie in ihrem Eifer kaum wahr. Es erstarb abrupt, und an seine Stelle trat das Quietschen von Reifen, gefolgt vom Geräusch einer Schiebetür, die schwungvoll geöffnet wurde. Endlich erwachte ihre Aufmerksamkeit. Sie ließ den Rucksack, wo er war, und hob den Kopf. Was folgte, war nacktes Entsetzen.
    Gleich neben ihrem Corsa hatte ein weißes Auto angehalten, ein Lieferwagen vom Typ Mercedes Sprinter. Rollo hatte einen Kumpel, der ebenfalls Stuckateur war und andauernd schwarzarbeitete. Deshalb hatte er sich einen Lieferwagen angeschafft, nämlich einen Mercedes Sprinter.
    Verdammt, das konnte kein Zufall sein!
    Doch von Rollo war nichts zu sehen, die beiden Männer, die aus dem Wagen stiegen, waren ihr gänzlich unbekannt. Ein dritter wartete beim Fahrzeug, ein vierter blieb bei laufendem Motor am Steuer sitzen. Offenbar hatten es die Kerle eilig.
    Sie kamen auf Laura zu. Was waren das für Typen? Hastig spähte sie in alle Richtungen und bemühte sich, eine Antwort auf die Frage zu finden, wen oder was die Fremden suchten. Sie konnte unmöglich gemeint sein, redete sie sich ein. Dann sah sie ihre Gesichter, eines finsterer als das andere. Spontan schoss ihr das Wort Verbrechervisagen in den Sinn. Einer der Typen hatte Unterarme, die sogar noch kräftiger waren als Rollos. Er baute sich neben ihrem Wagen auf. Durch die geschlossene Seitenscheibe funkelte er sie böse an.
    »Aussteigen!«, hörte sie ihn kommandieren.
    Der Nebenmann des Sprechers hätte ohne Weiteres in einem Film über die Straßengangs der Bronx mitspielen können. Er hatte einen Irokesenhaarschnitt, und als Oberbekleidung begnügte er sich mit einer ledernen Weste. Darunter kam ein behaarter Wanst zum Vorschein, der über den Hosenbund schwabbelte. Seine silberne Gürtelschnalle hatte die Form eines Totenschädels.
    Laura glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Was wollten diese Typen von ihr? Da musste ein Irrtum vorliegen, eine entsetzliche Verwechslung. Sie versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass nicht einmal solche Gestalten es wagen würden, sie auf offener Straße umzubringen. Warum auch? Dafür gab es keinen Grund. Zu dumm, dass nicht ein einziger Passant in der Nähe war.
    »Schickt Rollo euch?«, fragte sie mit einer Stimme, die sich kaum beherrschen ließ und vor Angst zu kippen drohte. Sie erhielt keine Antwort. Auf den Gedanken, den Türknopf nach unten zu drücken, kam sie erst, als der Typ mit den massiven Unterarmen den Wagenschlag aufriss.
    »Aussteigen, habe ich gesagt!« Er sprach mit einem Akzent, der sich osteuropäisch anhörte.
    Die Tür war kaum offen, als Laura bereits gepackt und aus dem Wagen gezerrt wurde. Ihr instinktiver Versuch, sich am Lenkrad festzuhalten, war zum Scheitern verurteilt, denn der Kraft, die auf sie wirkte, hatte sie nichts entgegenzusetzen.
    Den fetten Irokesen schien ihr vergeblicher Widerstand zu amüsieren. Laura glaubte, den Verstand zu verlieren vor Panik. Sie wurde in Richtung Kastenwagen gezerrt, ohne etwas dagegen tun zu können. Sie stemmte die Hacken gegen den Asphalt, strampelte wie von Sinnen, versuchte sich loszureißen. Vergebens. Die Kerle hatten sie rechts und links unter den Achseln gepackt und schleiften sie mit sich, als wäre sie gewichtslos. Die Schiebetür des Wagens stand offen, und sein Inneres mutete ihr wie eine finstere Höhle an. Herr im Himmel, was hatte das alles zu bedeuten?
    »Das muss ein Missverständnis sein!«, rief sie verzweifelt. »Bei mir gibt es nichts zu holen. Ich habe kein Geld. Ich bin Studentin. Schickt Rollo euch? Hilfe! So hilf mir doch jemand! Hilfe!«
    Ein Faustschlag traf sie mitten im Gesicht und brachte sie zum Schweigen. Ein stechender Schmerz schoss ihr in die Schläfen, ihr wurde schlagartig übel, sie schmeckte Blut in ihrem Mund. Aus den Augenwinkeln sah sie den Eismann, den sie vorhin

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