Sturms Jagd
Geltung verschafft!«
Klar, dass Rollo auf den richterlichen Willen gepfiffen hatte und ihr bereits am nächsten Tag mit frischem Eifer gefolgt war. Laura hatte über ihr Handy die Polizei angerufen. Die war erstaunlich schnell erschienen – und hatte plötzlich eine Legitimation, den Übeltäter mitzunehmen, einfach so, obwohl er nichts getan hatte, als auf öffentlichen Wegen hinter Laura herzulaufen. Das amtliche Dokument wirkte. Es war erstaunlich, wozu die Bürokratie taugte, hatte man sie erst in Gang gesetzt. In der Folge war ihr unbelehrbarer Ex noch zweimal auf offener Straße in Gewahrsam genommen worden, nachdem man ihn einmal aus dem Supermarkt und einmal aus der Sparkasse gezerrt hatte. Den Uniformierten, die ihn mittlerweile kannten, ging er allmählich auf die Nerven, weshalb sie zunehmend rüder mit ihm umsprangen.
Der letzte Vorfall lag inzwischen zwölf Tage zurück, und in Laura hatte sich die Hoffnung geregt, endlich in Ruhe gelassen zu werden. Bis ihr vorhin aufgefallen war, dass sie offenbar verfolgt wurde, von einem weißen Mercedes-Lieferwagen. Zum x-ten Mal schaute sie in den Rückspiegel, aber der verdächtige Lieferwagen, in dem sie Rollo und seine Kumpel wähnte, war nirgends zu entdecken. Sie musste Gespenster gesehen haben.
»Keine Schlägertruppe«, murmelte sie, und die Erleichterung machte sich in einem albernen Kichern Luft. »Kein Lieferwagen, keine Verfolger, kein Rollo. Herr im Himmel, dieser Blödhammel hat mich glatt an den Rand einer Paranoia getrieben.«
Wieder wollte sie das Radio einschalten, als ihr die abgebrochene Antenne einfiel. Egal, sie hatte ihr Ziel ohnehin fast erreicht.
Laura war nicht zum Vergnügen unterwegs, sondern auf dem Weg zur Arbeit. Sie war total erschöpft, da sie insgesamt drei Stellen als Putzfrau innehatte. Außerdem jobbte sie als Kellnerin, als Aushilfe in einer Bäckerei, und gelegentlich verfasste sie ein paar kleinere Artikel für den Kulturteil des Kuriers , wie eine der lokalen Tageszeitungen hieß. Ach ja, und ganz nebenbei studierte sie Kunst. Mit den vielen Aushilfsjobs finanzierte sie die Tagesmutter für ihre Kinder und die Miete für die Wohnung. Rollos Arbeitslosigkeit hatte auch Lauras Konto arg strapaziert, sodass sie nun rund um die Uhr schuftete. So kam es ihr jedenfalls vor.
Auf seinen Anteil am gemeinsamen Hausstand hatte Rollo indes großmütig verzichtet, sie solle ihn lieber auszahlen, stand in einem seiner Briefe, das Mobiliar bedeute ihm eh nichts mehr. Anstatt Mobiliar hatte er das Wort Plunder benutzt. Laura wusste nicht, woher sie das Geld für die Hälfte des »Plunders« nehmen sollte. Und auch das Studium machte ihr Sorgen, denn zum Lernen blieb kaum noch Zeit. Wenn sie erst wieder die Kinder bei sich hatte, würde der Zeitrahmen sogar noch enger werden, dann musste sie sich ernsthaft etwas einfallen lassen.
Trotz der vielen Probleme war ihre Stimmung ausgelassen, denn offenbar hatte sie sich die Verfolgung durch den Lieferwagen nur eingebildet. Ihr fielen mehrere Mühlsteine vom Herzen, und dieses Gefühl der Erleichterung steigerte sich zu schierer Albernheit. Im Tonfall eines Marktschreiers schmetterte sie: »Und hier kommt Laura Rosenzweig, meine Damen und Herren, die fünfundzwanzigjährige Karriere-Superputze!« Sie musste lauthals lachen. »Neben ihrer Anstellung bei der weltbekannten Gernot Garbrecht Gebäudereinigung, kurz 3G , schwingt Frau Rosenzweig obendrein in ausgesuchten Privathaushalten den Schrubber. Meine Damen und Herren, es ist jetzt 14 Uhr 32, und unsere talentierte Superputze ist seit 4 Uhr 30 auf den Beinen. Doch anstatt ins Freibad zu radeln, fegt und wischt sie weiter, was das Zeug hält, denn seit sie ihren trunksüchtigen Freund an die Luft gesetzt hat, ist sie so blank wie ein …« Ihr fiel kein passender Vergleich ein.
Der Eisverkäufer, der in seinem Wagen an der Ecke stand, gaffte sie kopfschüttelnd an, denn sie hatte das Fenster unten, und er musste ihr Geschrei gehört haben, auch wenn ihm der Sinn ihrer Worte sicherlich entgangen war. Sie hupte kurz und winkte ihm übermütig zu.
»Da guckst du, was, Gepetto? Bahn frei für Laura!«
Frau von Kalck, bei der sie an diesem Tag sauber machte, war dienstagnachmittags nicht zu Hause, doch sie vertraute Laura und hatte ihr einen Schlüssel gegeben. Leider hatte Frau von Kalck vergessen, das schmiedeeiserne Tor zum Hof offen zu lassen, weshalb Laura gezwungen war, am Straßenrand zu parken. Eine Lücke war weit und breit nicht zu
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