Sturms Jagd
Zulassung. Sollte er in eine Kontrolle geraten, wird niemand Verdacht schöpfen.«
Smertin war zufrieden. »Dann ist alles geklärt, da ? Das passt mir gut, denn ich habe noch eine Verabredung.« Er lupfte kurz die Brille an, um einen Blick auf seine Uhr zu werfen. »Sie heißt Yolanda«, erklärte er, »und nach Mitternacht ist sie besonders scharf.«
Damit wandte er sich ab und ging händereibend auf seinen Mercedes zu.
Der Narbige hielt ihn zurück. »Wir haben längst nicht alles geklärt. Eine Frage ist noch offen.«
Smertin hielt inne und drehte sich um. Er runzelte die Stirn. »Welche?«
»Deine Glorreichen Sieben. Wer garantiert uns, dass sie brav nach Hause zurückkommen, wenn alles geklappt hat? Die Versuchung ist groß, einfach abzuhauen, und da sie bewaffnet sein werden wie eine verdammte Armee …«
Der Narbige ließ den Satz unvollendet, doch jeder wusste, was er meinte. Das kam einer Beleidigung der sieben Männer gleich, die Smertin zur Durchführung der Operation Schneesturm auserkoren hatte, implizierte es doch, dass sie illoyale Bastarde waren, dass sie sich mit der Beute aus dem Staub machen würden. Die Stimmung wurde sofort wieder feindselig.
»Warum kommst du dann nicht einfach selbst mit?«, grollte jemand im Hintergrund. Kippe stand erneut kurz vor dem Durchdrehen und musste von zwei Kumpanen besänftigt werden.
»Sie werden zurückkommen«, stellte Smertin unwiderruflich fest. »Dafür sorge ich.«
»Das reicht mir nicht.«
»Was soll das heißen? Zweifelst du an meinen Worten?«
»Ja.«
Und schon wieder eine offene Kampfansage. Nein, Smertin und der Narbige würden wohl niemals Freunde werden. Wahrscheinlich bereuten sie längst, miteinander paktiert zu haben, doch die Gier hatte sie in dieses Bündnis getrieben.
Smertin starrte auf seine Schuhspitzen, als gebe es dort etwas ungemein Interessantes zu entdecken. »Verschwindet!«, befahl er seinen Leuten, ohne den Kopf zu heben.
Ungläubiges, unwilliges Gemurmel wurde laut.
»Verschwinden?«
»Wieso denn?«
»Ich denke gar nicht daran!«
Smertin wütete, sein kahler Schädel wurde feuerrot. Er funkelte die Männer an und fluchte. »Verdammte Dermokratie!« Das war ein Wortspiel, das man nur begreifen konnte, wenn man Russisch verstand, denn Dermo bedeutete Scheiße , sodass auf der Hand lag, was mit Dermokratie gemeint war. Smertin trauerte der alten Sowjetunion nach, wo man das Wort häufig für Propagandazwecke verwendet hatte. »Ich habe euch nicht um eine verdammte Debatte gebeten, ich habe euch einen Befehl erteilt. Also haut endlich ab!« Sein Geschrei war vermutlich bis zur Stadtgrenze zu hören, während sich sein Gesicht in die Fratze einer Bulldogge verwandelt hatte.
Victor Smertin war in den letzten Minuten zu oft verärgert worden, der Narbige hatte ihm schwer zugesetzt. Es fehlte nur noch ein einziger Tropfen, um das Fass seiner Geduld endgültig zum Überlaufen zu bringen. Das wussten alle, die ihn kannten, und deshalb begaben sie sich eilig zu den Lieferwagen. Nur einer blieb zurück, der Mann mit der Augenklappe.
Er war Smertins Freund und rechte Hand, ein ehemaliger Militärarzt der Roten Armee, der von allen Doktor Stalin oder General genannt wurde, auch wenn er es in Wirklichkeit nur bis zum Hauptmann gebracht hatte. Und selbst dieser Rang war ihm durch Degradierung aberkannt worden. Doktor Stalin war keinen Deut sympathischer als Smertin. Er baute sich neben seinem Freund auf und beobachtete mit verschränkten Armen, wie die Männer in den Lieferwagen verschwanden.
»Du bleibst hier!«, wies Smertin den Kerl an, der vorhin mit Stalin zusammengestanden hatte und nicht dem Überfallkommando angehörte.
Der Angesprochene schaute sich ängstlich um. Der Schweiß klebte ihm das schüttere Haar an die Stirn. »Wer? Ich?«
»Nein, die Schlampe, die deine Mutter ist. Razdolbaj , natürlich du. Komm her!«
Der Mann gehorchte. Derweil fuhren die Lieferwagen davon, ihre Rücklichter verschwanden in der Dunkelheit. Smertin schaute ihnen nach und starrte selbst dann noch in Richtung Ausfahrt, als die Motorengeräusche bereits nicht mehr zu hören waren.
»Und jetzt?«, fragte der Narbige ungehalten. »Was soll der Zirkus?« Er schaute zwischen Smertin, Stalin und dem Fremden hin und her. »Wer ist das?«
»Das ist ein Gondoschir «, antwortete Smertin. Er grinste, Stalin grinste, der Gondoschir , was immer das sein mochte, schaute misstrauisch drein.
Der Narbige schimpfte. »Verdammt, Smertin, hör auf,
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