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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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»Wie gesagt, auch ich hatte eine ganze Menge Aushilfsjobs während meines ersten Studienjahres.«
    »Laura gilt als zuverlässig. Normalerweise fängt sie immer pünktlich um halb drei an. Jetzt ist es halb drei. Ich bin hergekommen, um mir den Tatort unter möglichst identischen Bedingungen anzusehen, wie sie zur fraglichen Zeit, zur Tatzeit, hier geherrscht haben müssen.«
    Er wollte abermals etwas einwerfen, doch sie legte den Zeigefinger an die Lippen und brachte ihn zum Schweigen.
    »Sei ruhig!«, flüsterte sie. »Schau dich um und lass diesen Ort auf dich wirken. Stell dir einen alten Corsa vor, der genau hier parkt, in dieser Lücke. Am Lenkrad sitzt eine junge Frau. Sie dreht den Zündschlüssel, schaltet den Motor ab. Neben ihr auf dem Beifahrersitz liegt ein Rucksack mit persönlichen Dingen: Portemonnaie, Notizbüchlein, eine Butterbrotdose. Die junge Frau denkt an nichts Böses, als neben ihr ein Auto hält.«
    Lohmann holte abermals Luft, um etwas zu sagen, doch wieder schnitt sie ihm das Wort ab. »Lass diesen Ort auf dich wirken!«
    Er gehorchte und schaute sich schweigend um.
    Was er sah, war eine ganz gewöhnliche Straße in einer offenbar teuren Gegend. Geschäfte gab es hier nicht, nur Einfamilienhäuser mit großen Gärten und schmiedeeisernen Toren vor den Einfahrten. Ein Straßenschild gab Auskunft, dass dies die Lindenallee war. Eine ältere Frau, die einen Hund im Format einer übergroßen Ratte an der Leine ausführte, war der einzige Mensch weit und breit, abgesehen von dem Eismann und seinen drei oder vier jugendlichen Kunden ganz am Ende der Straße. Irgendwo in weiter Ferne brummte ein Rasenmäher.
    »Gibt es brauchbare Hinweise?«, fragte Lohmann und brach das fast dreiminütige Schweigen. In dieser Zeit waren lediglich drei Autos vorbeigekommen. »Zeugen, Verdächtige, irgendetwas?«
    Sie verneinte. »Dann wäre ich nicht hergekommen und würde meine Zeit damit vergeuden, herumzustehen und auf ein Wunder zu warten.«
    »Klar.« Er nickte. »Ich bin übrigens höllisch durstig«, verkündete er sodann wenig hilfreich. Mit dem Helm in der Hand deutete er auf den Eiswagen. »Darf ich Ihnen eine Erfrischung spendieren?«
    »Nur wenn du aufhörst, mich zu siezen, und dir diesen Frau-Sturm-Scheiß abgewöhnst. Dabei komme ich mir vor wie eine alte Frau. Wirke ich etwa alt auf dich?«
    Er verkniff es sich, ihr zu gestehen, wie sie auf ihn wirkte, und suchte nach einer unverfänglichen Antwort. An dieser schien sie allerdings nicht das geringste Interesse zu haben, denn bevor er auch nur den Mund aufmachen konnte, drehte sie sich um und fing an zu rennen. Entgeistert starrte er ihr nach. Dann vergingen einige Sekunden, bis er sich einen Ruck gab und ihr folgte.
    »Was ist denn los?«, rief er.
    Sie hielt auf den Eiswagen zu. »Ich Rindvieh! Dass ich daran nicht gleich gedacht habe.«
    »Woran haben Sie nicht gedacht?«, hechelte er.
    »An den Eismann.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Na, was wohl? Wenn er feste Gewohnheiten hat, war er vermutlich auch am Dienstag gegen halb drei hier. Dann hat er womöglich etwas gesehen, das uns weiterhilft. Er ist vielleicht das Wunder, das wir so dringend brauchen.«
    »Hallo.« Sie nickte dem Eisverkäufer zu. Etwas außer Atem stützte sie sich am Tresen seines Wagens ab.
    » Buon giorno, bella. « Der Mann war die Fleisch gewordene Karikatur eines Italieners und hätte in jedes Urlaubsvideo vom Mittelmeer gepasst. Er war Anfang fünfzig, hatte einen Dreitagebart und war behaart wie ein Eber. Sogar aus dem Ausschnitt seines fleckigen weißen T-Shirts quoll tiefschwarzes Kraushaar. Eine Goldkette rundete die Mucho-Macho-Erscheinung ab. Bei ihrem Anblick zog er ein Paar buschige Brauen hoch und lächelte ihr seinen ganzen Charme ins Gesicht. » Signorina? «
    Sie kam sofort zur Sache. »Sagen Sie, stehen Sie mit Ihrem Eiswagen jeden Tag hier?«
    Noch während sie sprach, fragte sie sich, warum der Mann seine Zeit in dieser beschaulichen Wohngegend verplemperte. Hier war einfach zu wenig los, um wirklich Umsatz zu machen, auch jetzt waren keine Kunden in Sicht. Das war gut, beschloss sie, denn so würde er sich bestimmt erinnern, falls er hier vor zwei Tagen etwas Ungewöhnliches beobachtet hatte.
    Salvatore – der Name war auf das T-Shirt gestickt – runzelte irritiert die Stirn. »Ob ich mit meinen Eiswagen jeden Tag hier stehe?«, wiederholte er wachsam.
    Sie nickte freundlich, unterstützt von einem keuchenden Lohmann, der mittlerweile ebenfalls den

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