Sturms Jagd
Eiswagen erreicht hatte.
Salvatore musterte die beiden argwöhnisch. Dessen ungeachtet gab er die gewünschte Auskunft, denn er redete gern und viel. » Sì , ich mache seit Jahren täglich die gleiche Runde. Natürlich nur im Sommer.« Er sprach rasend schnell und unnötig laut, dafür jedoch in ziemlich gutem Deutsch, wenngleich seine Aussprache von einem starken Akzent gefärbt war. »Bei schönem Wetter«, fuhr er fort, »bin ich normalerweise von zwei bis drei hier, um mir ein wenig Ruhe zu gönnen, bevor es richtig losgeht. Danach fahre ich Richtung Dom, da habe ich viel Kundschaft, und dann zum Rheinpark, wo ich auf die Leute warte, die aus der Claudius-Therme kommen. Bei dem Wetter gehen viele Leute zum Schwimmen, wissen Sie? Mache gute Geschäfte dort.«
»Sind Sie am Dienstag hier gewesen?«, unterbrach Mara seinen Redeschwall. »Hier an dieser Stelle? So gegen halb drei?«
» Martedì , eh? Vorgestern?«
»Genau.« Sie lächelte.
» Sì , am Dienstag bin ich hier gewesen, eine Stunde, wie immer. Und danach bin ich zum Dom gefahren und dann zum Rheinpark, wie ich bereits sagte.«
»Ist Ihnen in der Stunde, in der Sie hier standen, etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Aufgefallen?« Er leckte sich über die Lippen. »Ich verstehe nicht …«
Sie erklärte ihm, worauf sie hinauswollte. »Haben Sie etwas Merkwürdiges beobachtet? Beispielsweise eine junge Frau, die von einem Mann angesprochen wurde. Oder von mehreren Männern? Ist die Frau zu den Männern ins Auto gestiegen? Gab es vielleicht einen Streit?«
Die Miene des Eisverkäufers verfinsterte sich zusehends.
Mara spürte, dass sie genau ins Schwarze getroffen hatte und dass er tatsächlich etwas gesehen hatte, das ihm allmählich wieder einfiel, doch obendrein war ihm deutlich anzumerken, dass ihm die ganze Befragung langsam, aber sicher zu bunt wurde. Er war hier, um Eis zu verkaufen, um ein wenig zu verschnaufen und vielleicht ein Schwätzchen zu halten. Letzteres schloss allerdings nicht ein, sich von einer Frau verhören zu lassen.
»Warum sind Sie so neugierig, Signorina ?«
Sie zwang sich zur Ruhe. »Ich bin Polizistin und ermittele in einem Entführungsfall, darum. Der junge Mann hier ist von der Staatsanwaltschaft, Bodo Lohmann, und ich bin Kriminaloberkommissarin Mara Sturm.«
Lohmann murmelte bestätigend, doch Salvatores einzige Reaktion bestand in lautstarkem Gelächter. Seine braunen Knopfaugen kullerten hin und her, und sein Blick wanderte von dem Bubi mit der Micky Maus um den Hals zu der Frau, die vorgab, eine Polizistin zu sein.
» Polizia, sì ? Sie sind bei der Kriminalpolizei, wie?«
Sie nickte, doch Salvatores Heiterkeitsausbruch wurde sogar noch frenetischer. Sein Grinsen war unverhohlene Arroganz. Er gluckste und sagte auf Italienisch: »Rund um den Dom und am Bahnhof wird immer in zweiter Reihe geparkt, Frau Kommissarin, ich passe da mit meinem Eiswagen kaum durch. Sollten Sie sich nicht lieber darum kümmern?« Er hob theatralisch die Arme, bevor er wieder ins Deutsche wechselte. »Sie sehen nicht aus wie eine Polizistin, bella .«
»Das habe ich heute schon mal gehört.« Sie dachte an den kleinen Herrn Klein ohne Füllfederhalter. In der nächsten Sekunde hielt sie dem Eismann ihre Kriminalmarke vor die Nase, und dann fauchte sie ihn an, er solle gefälligst aufhören zu grinsen und sich zu benehmen wie ein unreifer Halbstarker. Sie habe weder Zeit noch Lust, sich mit bierbäuchigen Chauvinisten abzugeben.
Ihre Braue ruckte kampfeslustig in die Höhe, und Salvatore taumelte regelrecht zurück, denn sie hatte Italienisch gesprochen, perfektes, lupenreines Italienisch mit unüberhörbarem römischem Dialekt, wie man ihn ganz gewiss nicht auf der Volkshochschule lernte. Porca miseria , demnach hatte sie jedes Wort verstanden, was er gerade gesagt hatte. Seine dunkle, sonnengebräunte Haut wurde noch eine Spur dunkler.
Lohmann war genauso baff wie der Eisverkäufer. Gemeinsam glotzten sie Mara an.
»Was ist jetzt?«, nahm diese die Befragung wieder auf, als wäre zwischenzeitlich nichts geschehen. Ihre Stimme war plötzlich samtweich. »Ist Ihnen am Dienstag etwas Ungewöhnliches aufgefallen oder nicht?«
Salvatore begann zu sprechen, auf Italienisch, doch Mara fiel ihm sogleich ins Wort. »Deutsch bitte, bello mio , der Kollege von der Staatsanwaltschaft möchte auch verstehen, was Sie uns zu sagen haben. Grazie .«
Salvatore machte ein zerknirschtes Gesicht, lächelte blöd. »Ich … sì … Sie haben
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