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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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glaubte sie, ihren Augen nicht zu trauen. »Was ist denn hier los?«, entfuhr es ihr.
    Ohne auf eine Antwort zu warten, machte sie auf dem Absatz kehrt, da sie annahm, sich in der Tür geirrt zu haben. Ich muss dringend schlafen , dachte sie. Wenn man nicht mehr in der Lage ist, sein eigenes Büro zu finden, wird es höchste Zeit. Erst unter die Dusche und dann ein Nickerchen im Liegestuhl …
    »Frau Sturm!«, rief ihr Bodo Lohmann hinterher.
    Nanu, sie war also doch nicht im falschen Büro gelandet.
    »Da sind Sie ja wieder, Frau Sturm.« Der junge Referendar strahlte über sämtliche Backen. »Ich hatte schon befürchtet, Sie würden sich verspäten. Es ist zehn nach zwei. Wollten wir nicht um halb drei aufbrechen, um die verschwundene Frau zu suchen, von der Sie heute Morgen sprachen?«
    Mara gab keine Antwort. Sie stand da und starrte. »Was hast du gemacht?«, fauchte sie schließlich.
    »Aufgeräumt.« Lohmann zuckte mit den Achseln, sein Grinsen wurde breiter und breiter. »Wie Sie gesagt haben.«
    »Ich soll was gesagt haben?« Ihr Blick ging auf Wanderschaft, erkundete jeden Winkel des Büros.
    Dort, wo sich noch vor gut vier Stunden riesige Aktenberge und Papierstapel getürmt und leere Aschenbecher und Kaffeetassen herumgestanden hatten, herrschte auf einmal nüchterne Aufgeräumtheit. Anstatt verstaubter Schränke standen plötzlich moderne Hochregale an den Wänden, fein säuberlich bestückt mit Registraturen, Schnellheftern und Ordnern. Ein dritter Schreibtisch war zu den beiden bereits vorhandenen hinzugekommen, doch erstaunlicherweise wirkte das Büro größer als zuvor, trotz des zusätzlichen Möbelstücks. Sogar ein Geschirrschränkchen passte nun in die Ecke.
    Alles war aufgeräumt, sortiert und ordentlich. Selbst die Schlümpfe marschierten auf einmal in Reih und Glied.
    »Was hast du gemacht?«, wiederholte Mara im Flüsterton.
    Lohmann wurde unsicher, und diese Unsicherheit entlud sich in einem Redeschwall. »Bevor Sie wegfuhren, fragte ich Sie, was ich in der Zwischenzeit tun solle. Und da sagten Sie, räum das Büro auf. Also habe ich die Hochregale und einen zusätzlichen Schreibtisch organisiert und dann …«
    »Organisiert, wie? Und wann wolltest du anfangen zu tapezieren?«
    Lohmann lachte, dann wurde er verlegen. Er war sich nicht sicher, ob diese Bemerkung scherzhaft gemeint war oder als Anschiss. Aber ein Anschiss wofür? Sein einziges Vergehen bestand darin, einen Schweinestall entrümpelt zu haben. »Sie haben gesagt, ich soll aufräumen«, wiederholte er kläglich.
    Sie blaffte ihn an. »Halt mir keine verdammten Vorträge, was ich gesagt habe! Ich leide nicht unter Alzheimer!« Sie dachte an ihren Vater.
    Und an ihre Bemühungen des vergangenen Jahres: Mindestens ein halbes Dutzend Mal hatte sie bei der Verwaltung nachgefragt, ob das Budget die Anschaffung neuer Büromöbel zuließ, vorzugsweise größerer Schränke oder Regale. Alle Anträge waren mit dem Hinweis auf die gespannte Haushaltslage abgeschmettert worden. Und nun stand dieser lächerliche Knilch mit dem geschmacklosen Anzug vor ihr und hatte das Unmögliche möglich gemacht, einfach so, innerhalb weniger Stunden. Wie, zur Hölle, hatte er das angestellt?
    Sie bereute ihre Streitlust, kaum dass der Rüffel beim Adressaten angekommen war. Er sah aus wie ein Halbwüchsiger, der soeben entdeckt hat, dass sein Hamster tot im Käfig liegt. Hey, ermahnte sie sich, komm wieder runter! Der Junge hat sich bemüht. Nur weil du mies drauf bist, brauchst du deine schlechte Laune nicht an ihm auszulassen.
    Zumal der Grund für die schlechte Laune Johannes Strasser hieß und nicht Bodo Lohmann.
    Die erste Hälfte der Rückfahrt von Frankfurt hatte sie sich um ihren Bruder gesorgt. In ihrer Vorstellung waren Bilder aufgetaucht, die ihn leblos im Rinnstein gezeigt hatten, hingerichtet von der Russenmafia, über deren Umtriebe er etwas herausgefunden hatte. Selbstvorwürfe waren ihr durch den Kopf gespukt, ihn in eine unkontrollierbare Gefahr gebracht zu haben. Außerdem schalt sie sich, dass sie nicht in seinem Zimmer nachgeschaut hatte, ob es dort einen Hinweis auf seinen Verbleib gab.
    Doch dann, auf den letzten dreißig Kilometern, hatte sie die Visionen als blanken Unsinn abgetan. Jo war alles andere als hilflos, er konnte auf sich aufpassen, das war schon immer so gewesen. Überdies hatte er viele Freunde, darunter eine ganze Reihe wirklich gefährlicher Leute. Das war in der Szene bekannt. Wer ihm etwas antat, musste damit

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