Sturms Jagd
recht, am Dienstag ist mir dieser Lieferwagen aufgefallen, ein weißer Lieferwagen. Mercedes Sprinter.«
»Ein weißer Mercedes Sprinter? Sind Sie sicher?«
» Sì . Er kam angerauscht und stoppte mit quietschenden Reifen. Gleich darauf sprangen drei Männer auf die Straße, die aussahen, als wären sie von der Camorra.« Er kicherte. »Das war dort drüben.« Mit dem Eisportionierer in der Hand deutete er die Straße hinunter. »Ein Eis für Sie und den Herrn Staatsanwalt? Geht selbstverständlich auf Kosten des Hauses.«
Lohmann hatte seine Sprache wiedergefunden. »Danke«, lehnte er kopfschüttelnd ab, »aber als Beamte dürfen wir keine Geschenke annehmen. Ich werde das Eis bezahlen.«
Ehe er sein Portemonnaie zücken konnte, hatte Mara dem Italiener bereits die gefüllte Waffel aus der Hand genommen und sie Lohmann in die Finger gedrückt. »Für mich bitte Vanille«, bestellte sie. Dann forderte sie Salvatore mit einer Geste zum Weitersprechen auf.
»Nun, viel mehr habe ich eigentlich nicht gesehen. Die Männer sind zu einem parkenden Auto gegangen und haben eine Frau mitgenommen. Anschließend sind sie mit heulendem Motor weitergefahren.«
»Mitgenommen?«, wiederholte Mara gefährlich leise. »Heißt das, sie haben die Frau gewaltsam in den Lieferwagen gezerrt? In diesen Sprinter?«
Er senkte den Blick. » Sì «, bestätigte er nach einer Weile kleinlaut, dann schnatterte er drauflos. »Was hätte ich denn tun sollen? Hinterherlaufen? Die Kerle waren zu viert und sahen aus wie Schwerverbrecher, einer war unglaublich fett und hatte einen Hahnenkamm auf dem Kopf, wie ein Irokese. Die anderen sahen kaum besser aus, denen möchte ich nicht im Dunklen begegnen. Davon abgesehen habe ich mir im ersten Moment nichts dabei gedacht. Toto, habe ich mir gesagt, das geht dich nichts an. Wahrscheinlich ist die Frau mit einem der Männer verheiratet, und er will ihr nur klarmachen, wer das Sagen hat. Dio mio , dass da vielleicht mehr dahintersteckt, ist mir erst später klar geworden.« Seine Gesichtsfarbe wechselte zu Käseweiß, seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Die Frau wurde tatsächlich … entführt?«
»Davon müssen wir im Moment ausgehen, ja.«
Der Italiener bekreuzigte sich, doch Mara bedrängte ihn weiter. »Können Sie die Männer beschreiben?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ja … Ich meine, nein … Das ging alles so schnell, und sie waren doch ziemlich weit weg. Der eine sah aus wie ein Punker. Das war der Fettwanst mit dem Irokesenschnitt. Und die anderen … Nun …«
»Konnten Sie das Nummernschild des Lieferwagens erkennen?«, fiel sie ihm ins Wort. »Erinnern Sie sich daran? Denken Sie nach! Bitte!«
Seine Miene hellte sich schlagartig auf. » Sì! « Auf einmal wirkte er begeistert. »Der Mercedes ist an meinem Eiswagen vorbeigebraust, als die Kerle verduftet sind. Das Nummernschild lautete K-VS 1554.«
Mara war baff. Sie hatte damit gerechnet, dass er sich bestenfalls erinnerte, ob er ein auswärtiges oder ein einheimisches Kennzeichen gesehen hatte. Dass er nun die gesamte Buchstaben- und Ziffernfolge wusste, überraschte sie sehr.
Offensichtlich sah er die Zweifel in ihrem Gesicht, denn er fügte wie zur Entschuldigung hinzu: »Ich hab mir das gemerkt, weil meine Frau Valentina heißt. VS – Valentina e Salvatore .«
Das klang einleuchtend. Während Mara mit der linken Hand das Eis hielt, zückte sie mit der Rechten ihr Handy und stellte eine Verbindung her. Nach einem kurzen Gruß bat sie ihren Gesprächspartner, das von Salvatore genannte Kennzeichen mit den Datenbeständen des Zentralen Verkehrsinformationssystems, kurz ZEVIS, abzugleichen.
Im ZEVIS waren sämtliche im Land zugelassenen Kraftfahrzeuge erfasst, und anhand des jeweiligen Kennzeichens war es möglich, alle relevanten Fahrzeugdaten abzurufen sowie den entsprechenden Halter zuzuordnen. Die gewünschten Auskünfte waren in Sekundenschnelle verfügbar. Dennoch vergingen fast zwei Minuten, denn Maras Gesprächspartner musste erst einen Computer hochfahren.
»Wussten Sie eigentlich«, brabbelte Lohmann in die einsetzende Stille, »dass es laut Polizeilicher Kriminalstatistik im letzten Jahr über 182 000 Fälle von Straftaten gegen die persönliche Freiheit gab, also Entführung, Menschenhandel, Geiselnahme und dergleichen? Doch jetzt kommt das Gute: Die Aufklärungsquote lag bei über 89 Prozent.« Er lächelte Salvatore aufmunternd an.
Endlich erhielt Mara die gewünschte Auskunft. Sie strafte Salvatore mit
Weitere Kostenlose Bücher