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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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doch!«, rief Hinrich von unten herauf.
    Genau in dem Augenblick rutschte Anneke ab und glitt ein Stück weit nach unten.
    »Du magst es wohl nicht, wenn man dich lobt, was?«
    »Sei bloß still, bevor ich ganz herunterfalle und dich mitreiße!«, gab sie zurück und kletterte dann weiter.
    Als sie oben angekommen war, fühlten sich ihre Hände taub an. Es war fast so wie vor Kurzem, als sie versucht hatte, sich an dem Schiffstau festzuklammern.
    Oben auf der Stadtmauer wehte der Wind noch ein wenig schneidender. Von hier aus konnte sie einen großen Teil Stralsunds überblicken.
    Hier und da brannte in einem der Fenster noch Licht, am Hafen waren Feuer entzündet worden.
    Der Nachtwächter ging durch die Straßen und verkündete den Menschen lauthals, dass es Zeit war, Türen und Fenster zu verschließen. Die Männer, die sich in den Tavernen vergnügten, schienen sich darum nur wenig zu kümmern. Den Lärm aus diesen Häusern konnte Anneke bis hier oben hören und Erinnerungen an ihre Zeit im Goldenen Löffel stiegen in ihr auf.
    Als auch Hinrich auf der Mauer war, zog Sönke das Seil ein, befestigte es an der gegenüberliegenden Seite und ließ es dann wieder hinunter.
    Der Abstieg war etwas leichter, wenngleich Anneke Mühe hatte, sich festzuhalten.
    Nach einer Weile hatten alle wieder festen Boden unter den Füßen und sie konnten sich auf den Weg zum Scharfrichterhaus machen.
    »Ich glaube, wir sollten dem Nachtwächter besser nicht über den Weg laufen«, bemerkte Sönke und zerrte seinen Bruder und Anneke mit sich in den Schatten.
    Wenig später ertönte der Ruf des Wächters erneut, diesmal ganz in ihrer Nähe.
    Er schritt gemächlich über die Straße. Die Laterne in seiner Hand malte einen unstetig flatternden Fleck vor seine Füße und ließ die Konturen seines Mantels aus der Schwärze hervortreten. Ein paar Lichtstrahlen erreichten auch die Spitze seiner Hellebarde und beleuchteten sein Kinn, doch in die Schatten, die ihn umgaben, drang der Laternenschein nicht vor. Nachdem er kurz stehen geblieben war, in der Annahme, etwas gehört zu haben, ging er wieder weiter. Als er endlich verschwunden war, lösten sich Anneke und ihre Halbbrüder von der Mauer hinter ihnen.
    Sie durchquerten einige Straßen, passierten eine Taverne und die Jakobikirche. Dann ging es weiter zum Scharfrichterhaus.
    Plötzlich tauchte vor ihnen eine Gestalt auf.
    Zunächst hielt Anneke sie für einen zerlumpten Bettler. Sören wollte sie erneut in den Schatten ziehen, doch diesmal widerstand sie ihm. Sie wusste zunächst nicht, warum, doch etwas an der Gestalt, die in der Dunkelheit so verloren wirkte, kam ihr bekannt vor. Konnte es möglich sein?
    Plötzlich erstarrte sie. Ihr Herzschlag wurde zu einem Trommelwirbel.
    »Ingmar?«, wisperte sie und blickte ungläubig auf den jungen Mann. War er es wirklich oder ein den Fluten entsprungener Geist?
    Ihre Mutter hatte ihr oft gruselige Geschichten über Ertrunkene erzählt, die wieder unter die Lebenden zurückkehrten, wenn es noch irgendwas gab, dass sie im Diesseits hielt.
    »He, wir müssen weiter!«, drängte Hinrich, doch Anneke rührte sich nicht von der Stelle.
    Sie starrte Ingmar an und trat schließlich näher an ihn heran.
    »Ingmar?«, fragte sie nun laut, worauf die Gestalt augenblicklich stehen blieb und sich ihr zuwandte.
    »Anneke!«, brachte er ungläubig über die Lippen. »Bist du es wirklich?«
    Anneke schnappte nach Luft und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Er lebt!, kein anderer Gedanke hatte mehr Raum in ihrem Verstand und sie begann zu laufen.
    »Ja, ich bin es«, entgegnete sie, worauf er sie so fest er konnte in seine Arme schloss.
    Sein von Anstrengung und Müdigkeit gezeichneter Körper erzitterte plötzlich unter heftigem Schluchzen.
    »Ich dachte, du seist tot!«
    »Und ich hatte solche Angst um dich!«, klagte Anneke und fing dann ebenfalls heftig zu weinen an.
    Hinter ihnen brummte Hinrich unmutig und kassierte einen Schubs von seinem Bruder. Daraufhin murmelte er etwas, und Sönke brachte ihn mit einem Zischen zum Schweigen.
    Anneke hörte nicht, was sie sagten oder taten. Sie drückte Ingmar so fest an sich, dass er schließlich sagte: »Nachdem ich nur knapp dem Ertrinken entgangen bin, will ich nicht, dass du mir die Rippen brichst.« Mit diesen Worten erschien ein schwaches Lächeln auf seinem Gesicht.
    Es zu sehen, durchflutete Anneke mit Wärme und Freude.
    »Wie bist du in die Stadt gekommen?«, wollte sie wissen, während sie einander

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