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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Von ihrer Mutter hatte sie nicht viel erfahren, wie es zwischen Mann und Frau zugehen mochte. Und Nettel half ihr nun auch nicht weiter.
    *
    Als Anneke eines Nachmittags von ihrem Treffen mit Marte zurückkehrte, herrschte im Haus helle Aufregung. Sanne redete auf Nettel ein und gestikulierte dabei wild.
    »Sie sollen schon kurz vor der Stadt sein. Gott steh uns bei, wenn es ihnen gelingt, die Stadt einzunehmen!«
    Die Kinderfrau hielt inne, als sie ihren Schützling bemerkte. Anstatt sie aber wie sonst nach oben zu schicken, um sich ihren Stickarbeiten zu widmen, sagte sie zu Anneke: »Komm her, du sollst es auch wissen.«
    Das Mädchen schlüpfte aus den Holzpantinen und zog die Tür hinter sich zu.
    »Die Kaiserlichen rücken näher«, erklärte Sanne. »Offenbar haben sie vor, die Stadt einzunehmen. Ab sofort wirst du nicht mehr allein aus der Stadt laufen, hörst du?«
    Anneke starrte die Kinderfrau erschrocken an.
    »Bürgermeister Steinwich hat angeordnet, dass sich die Leute für gut ein Jahr bevorraten sollen. Aus diesem Grund ist der gnädige Herr gerade über Land gefahren, um von den Bauern aufzukaufen, was er bekommen kann.«
    »Aber ist das nicht gefährlich?«, fragte Anneke besorgt.
    »Sicher ist es das, aber er hat ein paar Reiter als Begleitschutz aufgetrieben«, antwortete Sanne. »Sie werden ihn gegen die Kaiserlichen verteidigen. Außerdem könnten ihm die Beziehungen, die er mit den Kaiserlichen gepflegt hat, nützlich sein.«
    »Darauf würde ich mich besser nicht verlassen«, warf Nettel ein. »Diese gottlosen Papisten können jederzeit ihre Meinung ändern. Wenn sie einen gut beladenen Handelskarren sehen, werden sie sicher versuchen, dem Kaufmann die Kehle durchzuschneiden.«
    Sanne warf Nettel einen warnenden Blick zu. »Nun rede nicht so ein dummes Zeug! Bislang ist Herr Martens immer wieder zurückgekehrt und er wird es auch diesmal tun. – Komm, Anneke, wir sollten uns jetzt wieder unserer Stickarbeit widmen.«
    Damit umfasste sie die Schulter des Mädchens und zog sie mit sich zur Treppe. Anneke spürte deutlich, dass Sannes Hand zitterte.
    *
    Die Worte der Kinderfrau wollten den ganzen Tag lang nicht aus Annekes Kopf.
    Bislang war der Krieg fern gewesen. Man hatte von Angriffen auf Rostock und kleinere Ortschaften gehört, doch weit und breit war nichts von einem Schlachtfeld zu sehen.
    Sannes Erzählung hatte die Heere, das Schwerterrasseln und das Krachen der Musketen und Kanonen jedoch näherrücken lassen. Was war, wenn der gefürchtete Tilly oder Wallenstein in Stralsund einzogen?
    Durch Annekes Verstand geisterten auf einmal die schrecklichsten Dinge und so schaffte sie es nicht mehr, sich richtig auf ihre Stickarbeit zu konzentrieren. Die meisten Blüten und Blätter waren mittlerweile schief und Sanne würde gewiss verlangen, dass sie sie auftrennte.
    Plötzlich ertönte vom Hof her ein Schrei.
    Sanne und Anneke ließen ihre Stickrahmen sein und stürmten beinahe gleichzeitig zum Fenster.
    Im nächsten Augenblick rannte die Köchin aus dem Stall, als sei der Teufel persönlich hinter ihr her.
    »Hat sie der Marder gebissen, oder was?«, fragte Sanne und verließ dann die Kammer. Anneke schloss sich ihr an.
    In der Küche trafen sie auf Nettel. Kreidebleich war sie! Und offenbar wollte sie gerade ihr Branntwein-Versteck ansteuern.
    »Was ist geschehen?«, fragte Sanne und drehte die Köchin an den Schultern herum. Diese schlotterte wie Espenlaub.
    »Der Rattenkönig«, presste sie hervor. »Der Rattenkönig ist hier!«
    Anneke hatte Geschichten über Rattenkönige gehört. Ihre Mutter hatte erzählt, dass, wenn einer von ihnen in einer Stadt auftauchte, bald Pest und Verderben folgen würden. Gesehen hatte sie noch keinen, aber das hieß nicht, dass es sie nicht doch gab.
    Sanne runzelte ungläubig die Stirn.
    »Bist du dir sicher?«, fragte sie und roch dabei – wie sie glaubte – unauffällig am Atem der Köchin.
    »Ich bin sicher«, antwortete diese und fügte hinzu: »Und du darfst nicht glauben, ich sei betrunken! Ich habe keinen einzigen Tropfen angerührt!«
    »Dann zeig uns den Rattenkönig!«, verlangte Anneke. Auch wenn es kein gutes Omen war, wollte sie diese Sagengestalt doch einmal gesehen haben.
    Die Köchin blickte sie an, als hätte sie von ihr gefordert, das Tor zur Hölle aufzustoßen. Sie wusste aber, dass Sanne ihre Entdeckung auch weiterhin dem Branntwein zuschreiben würde, wenn sie keinen Beweis lieferte.
    »Nun gut, dann kommt mit.«
    Die drei

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