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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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rotblonder Schopf war zerzaust, unzählige Sommersprossen zierten seine Nase.
    Anneke war nicht sicher, ob es sich bei dem Jungen um einen Knecht oder den Sohn des Wirtes handelte. Wenn er Letzteres war, musste seine Mutter wohl spindeldürr sein – und rothaarig. Mit dem Wirt hatte er jedenfalls nichts gemein.
    Magnus verlangte wohl von ihm, dass er sich ums Ausschenken kümmern sollte.
    Tjorven nickte schweigend, dann wanderte sein Blick etwas unsicher zu ihr. Nachdem er sie mit einem leichten Kopfnicken begrüßt hatte, wandte er sich den Gästen zu.
    Magnus führte sie die Treppe hinauf, bis unter den Dachboden der Schenke.
    Anneke konnte gar nicht anders, als dabei auf sein Holzbein zu starren, das unter der Kniehose hervorschaute und beim Auftreten ein seltsames Klacken von sich gab. Dem Wirt schien es nichts auszumachen, damit zu laufen. Er humpelte zwar ein wenig, doch er machte durchaus den Eindruck, als könnte er mit jedem, der die Zeche prellen wollte, fertig werden.
    Im ersten Stockwerk gab es ein paar Gästezimmer. Die Geräusche, die hinter manchen Türen ertönten, wirkten ein wenig beängstigend auf Anneke. Es keuchte und stöhnte, beinahe so, als würde jemandem wehgetan werden.
    Als sich der Wirt nach ihr umsah und bemerkte, dass sie peinlich berührt war, lachte er auf.
    »Wirst dich dran gewöhnen, Mädchen. Und irgendwann auch erfahren, was sie da tun.«
    Anneke ahnte das bereits. Deswegen war ihr ja so unwohl.
    Die Kammer, an der sie schließlich haltmachten, lag direkt neben dem Wäscheboden. Sie war nicht besonders groß. An Möblierung gab es nur einen Bettkasten mit Strohsack und eine Truhe, in die sie ihre Habseligkeiten hätte tun können – wenn sie denn welche gehabt hätte. Immerhin brauchte sie diese Kammer wohl nicht zu teilen.
    »Richte dich hier ein und komm morgen nach dem 5-Uhr-Läuten runter. Ich werde Gitta Bescheid sagen, dass sie dir morgen alles zeigen soll. Und sie wird dir auch Schwedisch beibringen.«
    Anneke nickte gehorsam und sagte dann auf Schwedisch. »Tack så mycket.«
    Der Wirt nickte und schloss dann die Kammertür.
    Anneke blickte sich um. Die grob zugehauenen Balken der Dachschräge befanden sich nicht mal eine Handbreit über ihrem Kopf. Spinnweben hingen davon herunter und es zog an allen Ecken und Enden. Hier und da meinte sie, Licht zwischen den Schindeln hereinblitzen zu sehen.
    Noch war die Luft in Stockholm sommerlich warm, doch im Winter würde es hier ziemlich ungemütlich werden.
    Aber daran wollte sie noch nicht denken.
    Sie öffnete die Schnürung ihres Kleides und zog es aus. Es starrte nur so vor Dreck. Aber das war ihr egal, denn es war ja ein Kleid aus Friedas Haus. Es tat ihr leid, dass sie ihr Bündel nicht hatte mitnehmen können, aber vielleicht konnte sie sich von ihrem ersten selbst verdienten halben Riksdaler ein einfaches Kleid kaufen.
    Anneke wollte sich gerade auf dem Strohsack niederlassen, als plötzlich hinter ihr die Tür geöffnet wurde. Blitzschnell wirbelte sie herum.
    Der Wirt stand in der Tür und musterte sie unverhohlen. Hatte er gehofft, dass sie sich bereits ihres Kleides entledigt hatte?
    In seiner Hand hielt er ein wenig Leinen und einen kleinen Tonkrug.
    »Reinige damit die Wunde, damit du keine Narbe behältst …«
    Damit stellte er den Krug auf den Boden und zog sich wieder aus der Kammer zurück.
    Anneke blieb wie angewurzelt vor dem Bett stehen. Erst als sich die Schritte in Richtung Treppe entfernten, holte sie den Krug, dem ein beißender Geruch entströmte. Noch nie zuvor hatte sie so etwas Ekelerregendes in die Nase bekommen!
    Sie verzog das Gesicht und schüttelte sich. Das Zeug sollte helfen? Es stank wie eine ganze Färbergrube! Nicht mal ein Ziegenstall war schlimmer.
    Doch wahrscheinlich kannte sich der Wirt besser mit Wunden aus und wusste, welches Mittel Narben verhinderte. Sie goss also etwas von der Flüssigkeit auf den Stoff und strich damit über den Striemen.
    Die Flüssigkeit roch nicht nur seltsam, sie brannte auch wie Feuer. Aber das Pochen in der Wunde wurde danach weniger.
    Als sie fertig war, ließ sie sich auf ihren Strohsack nieder und blickte aus dem Schenkenfenster hinaus in die helle Nacht.
    Es reute sie nicht, von Frieda fortgelaufen zu sein, aber dennoch wurde ihr schwer ums Herz.
    Wann würde sie Ingmar wiedersehen? Der Wirt würde ihr gewiss nicht erlauben, tagsüber durch die Stadt und zum Hafen zu laufen.
    Aber diese Nacht war nicht dazu da, darüber nachzudenken. Sie wollte

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