Sturmsegel
ähnlich. Sie war recht hager und hatte ihr dickes rotes Haar im Nacken zu einem Knoten gedreht. Ihr Blick fiel als Erstes auf Tjorven, und auf ein Nicken ihrerseits, erhob er sich und kam näher.
»Ah, da ist ja die neue Magd«, bemerkte Magnus, als er Anneke sah.
»Das ist mein Weib Inga Matsdotter, sie ist die Mutter von Tjorven. Inga, das ist Anneke.«
Die Frau musterte das Mädchen dabei gründlich und fast schien es, als wollte sie mithilfe ihrer Augen in Annekes Verstand vordringen. Sie schien auf der Suche nach einer ganz bestimmten Antwort zu sein, doch da Anneke die Frage nicht kannte, konnte sie sie ihr nicht geben.
Erst, als Gitta sie anstieß, kam Anneke wieder zu sich.
»Starr keine Löcher in die Luft, setz dich und iss.«
Anneke bemerkte, dass der Blick der Wirtin immer noch auf ihr ruhte, doch sie nahm wortlos auf dem ihr zugewiesenen Stuhl Platz.
Es war offenbar das älteste Sitzmöbel, denn es wackelte und knarrte, und obwohl Anneke schlank war, fürchtete sie doch jeden Moment, umzukippen.
Die Grütze, die Gitta gekocht hatte, war nicht so gut wie die von Nettel, selbst im Bollerstrue-Haus war sie besser gewesen, doch außer ihr schien niemand etwas auszusetzen zu haben. Alle schaufelten die Masse in sich hinein, und da Annekes Magen wie ein Bär knurrte, machte sie sich ebenfalls über ihre Portion her.
*
In den nächsten Stunden schleppte Anneke Wasser, schrubbte den Boden und die Tische. Gitta ließ sie diese Arbeit zunächst allein verrichten, um zu sehen, wie sie sich anstellte. Gemütlich lehnte sie an der Theke und kratzte sich mit einem Holzspan die Fingernägel aus.
Annekes Fingernägel bedurften einer solchen Behandlung nicht, denn das Wasser weichte ihre Hände auf und spülte den Schmutz fort. Das war aber auch das einzig Gute an dieser Arbeit. Nach einer Weile begann ihr Rücken zu schmerzen und ihre Arme zitterten kraftlos. Noch nie hatte sie so viel auf einmal schrubben müssen.
Gerade als sie schon bereuen wollte, von Frieda weggelaufen zu sein, begann der Striemen an ihrer Schulter vom Schweiß zu brennen und erinnerte sie daran, dass sie an diesem Morgen wohl vollkommen zerschlagen in ihrer Kammer gelegen hätte.
Also biss sie die Zähne wieder zusammen und fuhr mit ihrer Arbeit fort.
»Machst dich ja gar nicht so schlecht!«, stellte Gitta fest, als Anneke an der Türschwelle angekommen war. Mittlerweile schmerzte ihr Rücken nicht mehr, was aber nur daran lag, dass sie ihn gar nicht mehr spürte.
»Ich werde Magnus berichten, dass du gut arbeiten kannst. Und jetzt schütte das Wasser aus und hilf mir in der Küche.«
Damit wandte sie sich um.
Anneke erhob sich mühsam und blickte ihr nach. Offenbar kamen schwere Zeiten auf sie zu. Heute Nacht und besonders morgen früh würde sie wohl jeden Knochen in ihrem Leib spüren. Aber das war immer noch besser, als in einem Haus zu sein, in dem man verhöhnt und geschlagen wurde. Und noch dazu von den eigenen Verwandten!
Sie verließ also mit dem Eimer die Schenke und schüttete das Wasser in die Gosse. Ihr Blick schweifte dabei zum Hafen. Die Vasa konnte sie von hier aus natürlich nicht sehen, auch Tre Kronor war weit entfernt. Mit einem Mal überkam sie Traurigkeit. Was würde Ingmar denken, wenn sie nicht mehr beim Schiffsbauhof auftauchte? Würde sie ihn jemals wiedersehen?
»He, Mädchen, wo bleibst du denn?«, tönte Gittas Stimme aus der Küche und Anneke blieb nun nichts weiter übrig, als dem Ruf zu folgen.
*
Als es Abend wurde, füllte sich die Schenke.
Männer vom Hafen, Seeleute und andere Bürger fanden sich hier ein, um zu essen, zu trinken und den neuesten Klatsch auszutauschen.
Anneke, die mit Gitta in der Küche stand und Eintopf und Grütze zubereitete, hoffte, dass sich vielleicht auch ein paar Schiffsbauer hierher verirren würden. Dass Ingmar erscheinen würde, wagte sie nicht zu hoffen, aber vielleicht konnte sie jemanden vom Schiffsbauhof bitten, ihm eine Nachricht zu übermitteln.
Doch zunächst sah es nicht so aus, als würde sie überhaupt von der Feuerstelle wegkommen. Während Tjorven wieder seine Spielchen mit den Spänen trieb, musste sie achtgeben, dass die Flamme immer schön gleichmäßig brannte. Dann trug Gitta ihr auf, die Grütze und den Eintopf zu rühren, damit sie nicht anbrannten. »Sonst scheuerst du die Töpfe bis in den frühen Morgen!«, drohte sie ihr an.
Obwohl sich Anneke bemühte, dass nichts am Boden hängen blieb, schien sie es nicht ganz verhindern zu können.
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