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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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unvermittelt, dass sie sich erschreckte.
    »Himmel, Tjorven, warum schleichst du immer wie ein Geist an mich ran?«, fragte Anneke ohne nachzudenken auf Deutsch und atmete tief durch.
    Der Junge blickte sie zunächst unverständig an, dann lächelte er verlegen und hielt ihr einen Gegenstand hin. Es war eine kleine Flöte, an der er in den vergangenen Tagen geschnitzt hatte.
    »Ist sie fertig?«, wechselte Anneke ins Schwedische, worauf Tjorven nickte.
    »Sie ist schön. Kannst du sie spielen?«
    Der Junge hob das Instrument an die Lippen und spielte eine kurze Melodie.
    Anneke lächelte ihn breit an. »Klingt hübsch. Hast du es dir selbst ausgedacht?«
    Tjorven, auf dessen Wangen nun ein paar rote Flecken aufflammten, nickte.
    »Vielleicht solltest du Spielmann werden«, schlug sie daraufhin vor.
    Tjorven schüttelte den Kopf und zeigte dann auf die Tür. Dann breitete er die Arme aus.
    Wieder musste sie ein wenig rätseln, doch dann fiel ihr ein, was er meinen könnte.
    »Du willst von hier fort?«
    Tjorven nickte eifrig und formte mit den Händen etwas, das wie ein Dreieck aussah.
    »Ein Segel? Du möchtest mit einem Schiff fahren?«
    Tjorven gab einen begeisterten Laut von sich.
    »Nun, ich weiß vielleicht eines, das dich mitnehmen würde!«, bemerkte Anneke überschwänglich. Sie wusste natürlich, dass Magnus den Jungen nicht fortlassen würde, aber heute hatte sie so gute Laune, dass sie Tjorven daran teilhaben lassen wollte.
    »Hast du schon mal etwas von dem neuen Königsschiff gehört?«, fragte sie. »Von der Vasa?«
    Die Augen des Jungen begannen zu leuchten. Offenbar war auch ihm nicht entgangen, dass das neue Schiff darauf wartete, endlich auslaufen zu können.
    »Ich könnte mir vorstellen, dass du damit fahren könntest. Sie suchen bestimmt noch Schiffsjungen.«
    Nachdem sie diesen Satz ausgesprochen hatte, fiel ihr auf, dass es so klang, als wollte sie ihn loswerden. Aber das war nicht der Fall. Und Tjorven schien das auch zu bemerken.
    Er forderte sie mit einem Handzeichen auf, weiter von dem Schiff zu erzählen.
    »Nun, es ist sehr groß und wunderschön. Die Schiffsbauer glauben, dass sämtliche Feinde Angst bekommen werden, wenn sie es am Horizont auftauchen sehen.«
    Bei diesen Worten leuchtete etwas in den Augen des Jungen auf. Zunächst verstand sie nicht, was er mit seinen Händen sagen wollte. Doch nachdem er die Gesten zweimal wiederholt hatte, wurde es ihr klar.
    »Du willst gefürchtet sein?«, fragte sie. »Wie die Vasa?«
    Der Junge nickte eifrig.
    »Aber warum?«
    Tjorven wandte sich um und machte eine ausladende Geste, die den gesamten Schankraum umfasste.
    »Du hasst es, hier zu sein«, stellte Anneke fest. »Und du hasst Magnus.«
    Tjorven nickte und deutete auf die Tür. Deshalb wollte er fort von hier. Fort von dem Mann, der seine Mutter unglücklich machte.
    »Und was soll aus deiner Mutter werden, wenn du fort bist?«, fragte Anneke und blickte sich vorsichtshalber um, denn sie spürte, dass diese Unterhaltung geheim bleiben musste.
    Tjorven überlegte nicht lange. Mit umständlichen Handbewegungen bedeutete er ihr, dass er sie von hier fortholen würde. Dann würde sie nicht mehr unglücklich sein.
    Diese Antwort erschütterte Anneke ein wenig. Und ihr Eindruck, dass Inga sehr unglücklich war, verstärkte sich.
    Wie sollte sie es auch nicht sein, wenn ihr Ehegatte das Lager mit der Magd teilte?
    Gitta hingegen himmelte Magnus regelrecht an und freute sich über jedes Lächeln, das er ihr schenkte. Wahrscheinlich setzte das Inga noch mehr zu.
    Dennoch konnte Anneke nichts Böses gegen Magnus oder Gitta sagen. Was die beiden in der Nacht miteinander trieben, ging sie nichts an. Und bislang war die Magd immer freundlich zu ihr gewesen und Magnus' verlangende Blicke beachtete sie gar nicht mehr.
    Plötzlich verfinsterte sich Tjorvens Miene.
    Was hatte er nur?
    Als Anneke seinem Blick folgte, erkannte sie, dass Ingmar vor dem Fenster aufgetaucht war.
    »Das ist ein Freund«, erklärte sie Tjorven, worauf sein Blick noch düsterer wurde.
    Er machte ein paar Handzeichen, aus denen Anneke ungefähr die Frage, ob sie mit dem Jungen weggehen würde, verstand. Offenbar hatte er mitbekommen, dass Gitta mit Magnus über Annekes Sonntagsausflüge geredet hatte.
    »Ich gehe nachher mit ihm in die Stadt und bin abends wieder hier.«
    Tjorven sah sie daraufhin traurig an, was sie nicht verstehen konnte. Wollte er, dass sie ihm noch mehr über das Schiff erzählte? Das konnte sie doch tun,

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