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Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Satteldecken zu kümmern. Okay, also erst Wäsche machen und dann raus in den Stall. Lissi geht bestimmt wieder surfen, wir haben heute guten Wind. In Lindau surfen fast alle. Zumindest die, die es sich leisten können. Lissi ist richtig gut, hat schon ein paar Pokale überm Bett stehen. Ich hab’s auch schon mal probiert, vor zwei Jahren, aber es ist elend anstrengend, das Segel war so schwer und kaum hatte ich es oben, lag ich schon wieder im Wasser.
    »Tom! Wir essen dir alles weg!«
    »Ja, ich komme schon.«
    Hmm, gefüllte Paprika mit Reis in Tomatensoße. Ich hab bärigen Kohldampf. Plötzlich merke ich, dass mich jemand anschaut. Es ist Mama. Und jetzt auch Lissi. »Was hast du denn da an der Wange …?«, fragt Mama langsam. »Wird Tomatensoße sein.« Ich wische mit der Serviette drüber und zucke zusammen. Das tut weh. Warum tut das - au Backe, das ist von Tanjas Krallen!
    »Bist du gestürzt? Hast du dich aufgeschürft?«, fragt Mama aufgeregt.
    Mir fällt nichts ein, was ich jetzt sagen könnte. Oder sollte. Ich kann nur ganz schlecht lügen, wenn ich so direkt gefragt werde.
    »Hast du dich etwa geprügelt?!«
    »Ach, Mama - wir hatten halt Streit…«
    »Wer - wir? Toni? Marc? Wer?«
    »Das kann doch mal passieren.« Ich esse einfach weiter und tu so, als wäre nichts. Vielleicht essen sie dann auch weiter und halten die Klappe.
    »Ich habe dich gefragt, wer das war!«, unterbricht sie mich scharf. Genervt lege ich die Gabel hin. Ich wollte sie hinlegen, aber es war wohl zu heftig. Sie klirrt laut.
    »Tanja.« Jetzt ist es raus.
    »Halleluja«, raunt Lissi.
    Mama schaut mich nur eine Weile ungläubig an. Dann sagt sie ziemlich spitz: »An einem Streit sind immer zwei schuld.«
    Ich glaube, die gute Stimmung ist gelaufen. Zum Glück ist Papa in der Praxis und kann nicht mitessen. Lissi versucht, Mama abzulenken und erzählt ihr irgendetwas von einer Projektgruppe, bei der sie mitmachen möchte. Latein oder so. Also unendlich langweilig. Ich hab keinen richtigen Appetit mehr.
    »Wir schreiben übrigens in zwei Wochen Mathe, Mama«, sage ich leise. Sofort wendet sie sich von Lissi ab und guckt wieder zu mir rüber. Etwas milder als vorher. Ich fühl mich ein bisschen elend. Es auszusprechen ist noch viel schlimmer, als den Termin nur ins Heft zu schreiben. In zwei Wochen.
    »Dann iss wenigstens deinen Teller leer. Du bist mir zu dünn.« Okay, das ist Mamas Art zu sagen, dass sie nicht mehr sauer ist. Man muss etwas essen, wenn sie verziehen hat. Mir ist etwas leichter ums Herz und Hunger habe ich doch wieder. Ich erwarte ja gar nicht, dass sie Tanja abbestellt. Ich hoffe nur, dass Tanja von alleine geht.
    Ich habe eine Stinkwut. Es hätte noch ein so schöner Tag werden können. Ich hab die blöde Wäsche gewaschen, Henri ausgeführt, meine Hausaufgaben gemacht und die Welt wartete auf mich. Aber kaum war ich im Stall angekommen, konnte ich nicht mal richtig Damos begrüßen, denn wer stand nebendran bei Meteor in der Box? Tanja. Ich hatte total vergessen, dass sie ja heute Mittag da sein wollte.
    »Hi Tom«, rief sie über die Trennwand und legte den Sattel auf Meteors Rücken. »Wieder beruhigt?«, setzte sie spöttisch hinzu.
    Ich sagte gar nichts, wie heißt es so schön? Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Es war totenstill im Stall, bis auf das Schnauben der Pferde. Damos wurde unruhig, vielleicht, weil ich nicht mit ihm sprach wie sonst, dachte ich. Ich versuchte, ihm durch meine Hände Ruhe zu geben, aber sein Fell zitterte immer stärker, bis er plötzlich mit den Hufen scharrte und schon beim Putzen bockte. »Was hast du denn?«, flüsterte ich schließlich. Mit Ach und Krach gelang es mir, ihn zu satteln, so sehr blähte er den Bauch, und auch bei der Trense zickte er rum.
    Als ich dann draußen aufsaß, ließ er sich nicht im Schritt halten, sondern trabte sofort los. Nun sah ich, warum. Tanja ritt im Galopp auf der Wiese am Waldrand ihre Runden. Und Damos sieht den Waldrand von seinem Stallfenster aus. Dieses Biest. Wahrscheinlich weiß sie genau, dass Damos nicht mehr zu halten ist, wenn er ein anderes Pferd galoppieren sieht. Ganz besonders, wenn es Meteor ist. Immerhin ist Meteor das einzige Pferd im Stall, das Damos gut leiden kann. Und umgekehrt. Ansonsten werden alle Pferde nervös, wenn Damos in ihre Nähe kommt.
    Es blieb mir nichts anderes übrig, ich musste ihn laufen lassen. Und Damos ist schnell. Araberblut. In Sekunden waren wir bei Meteor, der ihn wiehernd begrüßte, und

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