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Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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verweint sind vom Zwiebelschälen, auch ihre Wangen sind nass, jetzt verfärben sie sich zudem dunkel. Trotzdem hält sie den Blick, ohne ein Lächeln, ohne Wut, sie schaut einfach nur.
    Es ist Tanja. Ich bin mir sicher. Ich kenne ihr Gesicht, weiß Gott. Was macht sie hier? Warum sitzt sie in der Mühlen-Küche und schält diese gigantischen Mengen an Zwiebeln, warum um Himmels willen macht sie das? Ich hebe die Katze von meinem Schoß, obwohl sie immer noch schnurrt. Ich will hier nicht mehr bleiben. Ich hatte Rumpsteak mit Schmorzwiebeln, und wahrscheinlich kamen die Zwiebeln aus diesem Sack, den Tanja noch zu leeren hat, während der
    Koch seine Zigarette raucht - ich ekle mich nicht, aber ich will hier weg, ganz schnell.
    »Schon zurück? Du siehst ja aus, als wäre dir ein Gespenst über den Weg gelaufen«, fragt Lissi belustigt.
    »So ähnlich«, sage ich leise. Lächeln kann ich nicht. »Gehen wir heim?«
    »Schon?«, fragen Mama und Papa aus einem Mund. »Wir wollten doch noch ein Weinchen trinken.«
    »Da war Tanja.«
    Jetzt ist es still und auch Henri stupst nicht mehr.
    »In der Küche. Sie hat Zwiebeln geschält.«
    Mama und Papa werfen sich einen Blick zu und Mama seufzt kaum hörbar.
    »Das arme Mädchen«, sagt sie.
    Ich verstehe das alles nicht ganz. Es ist wie ein Fluch. Sie ist im Stall, sie ist in meinem Lieblingsrestaurant, sie kennt meinen Waldweg, sie kennt mein Pferd - aber anscheinend fällt das niemandem auf außer mir.
    Im Auto dreht Papa das Radio an. Mama ist merkwürdig still geworden; ich bin träge und mir tut der Kopf weh, und wenn ich die Augen schließe, sehe ich Tanjas braune Hände und ihr nasses Gesicht und dann bekomme ich Lust, eine Weltreise zu machen. Henri drückt sich schwer an mich und seufzt sein Hunde-Seufzen.
    Ich würde Mama gerne fragen, wie sie das meint mit dem »armen Mädchen«, aber irgendetwas hält mich davon ab. Ich bin einfach nur entsetzlich müde und will nichts als schlafen.

 
    RIVALEN
    Das war jetzt die erste Nacht, in der ich nicht von Tanjas braunen Händen geträumt habe. Ich hab Mama nicht mehr gefragt, was sie mit dem »armen Mädchen« gemeint hat. Ich hab Tanja mittags zur Nachhilfe kommen lassen, kaum was gesagt und statt auf meine Aufgaben ständig auf ihre Hände geschaut, aber ich hab nichts gesehen, es waren ganz normale Hände, und auch nach Zwiebeln gerochen haben sie nicht. Sie war merkwürdig still, triezte mich nicht so wie sonst. Es herrschte eine eisige Stimmung zwischen uns, und obwohl es drückend heiß war, hatte ich die ganze Zeit einen Schauer auf dem Rücken. Ich war so froh, als sie endlich wieder weg war. Diese Nachhilfetage, die sind nichts wert, bevor die Stunde vorbei ist. Und es ist eine lange Stunde.
    Morgen: keine Schule. Sondern Sportfest. Und auch das wird nicht so witzig, wie ich dachte. Ich hatte Jens vergessen. Wie konnte ich ihn vergessen. Ich weiß nicht warum, aber er hat nichts Besseres zu tun, als uns den lieben langen Tag aufzuziehen. Toni, Marc, Anja und mich. Vor allem aber Toni. Gut, Toni hat einen komischen Namen. Anton Lorbeer. Das ist nicht gerade ein Name, den man sich wünscht. Aber Jens ruft ihn »Kümmel«. Für ihn ist Lorbeer wohl so etwas Ähnliches wie Kümmel, vielleicht kennt er nur diese beiden Gewürze, aber es nervt. »He Kümmel, sitzt die Hose auch richtig?« Sein Lieblingsspaß. Weil Toni enge Hosen trägt. Dann packt Jens ihn von hinten am Gürtel, ruckt ihn ein Stück hoch und Toni ist für mindestens drei Stunden sehr still. Er kann sich halt nicht gut wehren. Toni weiß nicht, wie man sich prügelt. Und er will auch nicht, dass ich mich für ihn prügle.
    Jens hat es auf uns abgesehen. Das war von der fünften Klasse an so und ist es immer noch. Ich glaube sogar, mich kann er am wenigsten ausstehen, aber traut sich nicht recht, es mir direkt zu zeigen. Dafür bekommt Toni es umso schlimmer ab.
    Und er ist ein »Ausnahmesportler«, wie unser Sportlehrer es letztens formulierte. Anja meinte, Jens würde regelmäßig Gewichte stemmen. Er ist im Jugend-trainiert-für-Olympia-Kader der Schul-Handballmannschaft. Ich habe heute in der Umkleide zu ihm rübergelinst; er war eh damit beschäftigt, Toni wegen seiner Klamotten zu mobben. Jens hat schon richtig Muskeln am Oberkörper. Ich bin ja nur dünn und schnell, aber Muskeln habe ich nicht, und ich bin auch nicht so groß wie Jens.
    Doch es ist zu spät, ich habe mich schon für den 1000-Meter-Lauf angemeldet, weil ich daran schon immer mal

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