Sturmsommer
Vier? Vielleicht sogar besser?
»Tom! Hey!« Ich erschrecke und rutsche vom Bett runter. Unsanft schlägt mein Kopf auf dem Boden auf. Auch das noch. Ich war kurz eingenickt. Ich reibe mir die Schläfe und rapple mich mühsam auf.
»Wirklich alles okay?« Lissi blickt mich fragend an. »Du gehörst ins Bett.«
»Hast du noch gute Musik für mich? Irgendwas Altes?« Ich kann das Gähnen kaum mehr unterdrücken. Doch Musik muss noch sein heute Abend. Ich liebe Lissis selbst gemischte CDs mit all den alten 80er-Jahre-Songs, die sie von Mamas und Papas Plattensammlungen herausgesucht, auf den Computer überspielt und gebrannt hat. Wochenlang war sie damit beschäftigt gewesen. Ich fand das erst doof, Sachen von Mama und Papa zu hören. Aber manche Songs sind richtig cool. Und Lissi kann tolle CDs mixen. Wir hören sie immer im Auto, wenn wir in den Urlaub fahren, und manchmal singt Mama sogar mit. Sie kann schön singen im Gegensatz zu mir.
Lissi klaubt eine dieser CDs unter ihrem Kopfkissen hervor. Das Unheimliche ist ja, dass sie sich in ihrem Bett wirklich auskennt. Sie weiß immer, wo welcher Gegenstand liegt von all den Gegenständen, die ganz gewiss in kein Bett gehören. »Alphaville und a-ha. Passt gut zum Reiten.«
Auf Duschen und Zähneputzen verzichte ich. Ich kann einfach nicht mehr. Ich schäle mich nur noch aus meinen Klamotten, werfe die CD in meine Anlage und lass mich aufs Bett fallen. Während ich einschlummere und meine Gedanken ganz weich werden, tanzen Tanjas Buchstaben vor meinen Augen. Ich schiebe sie mühsam weg. Einfach nichts tun. Nichts.
TESTE R GEBNISSE
»Halt jetzt endlich dein blödes Maul!« Ich brülle so laut, dass es schlagartig still wird um uns herum. Jens glotzt mich erstaunt an. Aber ich kann ihn nicht mehr ertragen. Seit heute Morgen um acht hat er wieder nichts Besseres zu tun, als Toni aufzuziehen, und weil es so Spaß macht, hat er auch noch Marc in seine persönliche Opfergruppe aufgenommen. Ich kann nicht verstehen, wie Marc so ruhig bleiben kann. Irgendwie hat sich das mit unseren Ferienplänen herumgesprochen. Jens reißt ständig irgendwelche Hengst-und Stutenwitze und amüsiert sich darüber, wie schwul es doch wäre, wenn Toni auf dem Pferd sitzt. Toni sagt gar nichts, aber ich weiß, dass es ihn trifft; und vor allem weiß ich, dass Jens Öl ins Feuer gießt. Gestern hatten Toni und ich wieder eine von diesen abenteuerlichen und vor allem anstrengenden Reitstunden. Manchmal glaube ich, er hat panische Angst vor Pferden. Er ist so verkrampft, wenn er da oben sitzt. Aber er gibt das nicht zu. Ich hab wirklich alles versucht, und er weigert sich auch, bei meinem Reitlehrer Stunden zu nehmen. Er meint, er wolle kein Geld dafür hinlegen, angeschrien zu werden. Wenn Jens jetzt noch weitermacht, dann bringt Toni es fertig und springt ab.
Zu allem Überfluss weiß ich immer noch nicht, ob ich mitkann. Gleich haben wir Mathe, und ich hoffe und fürchte zugleich, dass Frau Schilfer die Arbeit korrigiert hat
»Solltest du als Klassensprecher solche bösen Sachen sagen? Hm?«
Jens baut sich vor mir auf und grinst mich blöde an. Warum habe ich bei ihm immer das Gefühl, dass ich Jahre jünger bin als er? Ich schaue schnell zu Marc rüber, der sogar zu lächeln scheint. Ihm ist das tatsächlich egal. Aber mir nicht.
»Komm, lass das lieber«, flüstert Toni mir zu. Jens’ Freunde kichern und tuscheln.
»Halt dein dummes Maul«, sage ich noch einmal, aber diesmal leise. Mir fällt nichts anderes ein.
»Wieso, holst du deine Gerte raus, wenn ich es nicht tue?«, fragt er in tuntigem Tonfall und seine Freunde brechen in schrilles Gelächter aus. Inzwischen haben alle in der Klasse aufgehört zu reden und starren uns an. Wir stehen uns dicht gegenüber, Jens und ich, eingequetscht zwischen den letzten beiden Bankreihen. Toni wackelt nervös mit dem Knie. Wie soll ich ihn nur verteidigen? Was soll ich sagen?
»Jens, geh bitte ein Stückchen zur Seite, du stinkst widerlich nach Schweiß«, höre ich auf einmal Tanjas Stimme - kühl, gelassen, höflich. Sie hat sich nicht einmal umgedreht, sondern schreibt weiter in ihr Heft. Entweder passiert nun etwas Fürchterliches und Jens drischt uns alle zusammen oder Frau Schilfer kommt endlich rein und der Spuk hat ein Ende. Jens dreht sich fassungslos um und schaut auf Tanja herunter. Mir fällt auf, dass Barbara nicht mehr neben ihr sitzt. Sie hat nun den Platz neben Lena und guckt demonstrativ weg.
»Von so ‘ner Assischlampe
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