Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
alten Holzbalken. Jetzt aber ist es stickig und heiß in dem kleinen Raum. Ich sehe den Brief sofort, er hängt halb aus meinem Fach heraus, auffälliger geht’s nicht mehr. Die Schrift kommt mir auf Anhieb bekannt vor, ohne dass ich sie zuordnen kann. »Für Tom«, steht da drauf, nicht mehr und nicht weniger.
    Ich nehme ihn mit und setze mich in den Schatten auf das Gatter an der Weide. Damos wiehert kurz zu mir rüber. Am liebsten würde ich zurückwiehern.
    Das Kuvert ist zugeklebt. Meine Finger zittern immer noch, als ich es aufreiße. Heute brauche ich wahrscheinlich eine Weile, bis ich ruhig werde. Der Tag war ein einziges Abenteuer.
    Ich ziehe den Briefbogen heraus und falte ihn auseinander. Zartes Grau mit dunkelblauer Tinte. Dunkelblaue Tinte. Und die Zahlen vom Datum. Moment… Diese Zahlen sind unverkennbar. Ich musste sie in den vergangenen Wochen tausend Mal studieren. Zahlen wie kleine Kunstwerke. Tanja. Sie hätte in China zur Welt kommen müssen, da würde sie hinpassen mit ihrer Manie für Zeichen. Tausend Zeichen hätte sie in China, die sie mit zusammengezogenen Augenbrauen aufs Papier bringen könnte. Vielleicht wäre sie dann auch ausgeglichener.
    Eigentlich will ich nicht lesen, was sie schreibt. Aber dann tu ich es doch, und während ich lese, wird mir ganz elend im Bauch.
    Hi Tom. Ich weiß schon, Du wirst nicht lesen wollen, was ich hier schreibe. Aber ich tue es trotzdem.
    Klar. Was sonst. Habe nichts anderes erwartet.
    Du kannst den Brief ja danach verbrennen, zerreißen, was weiß ich. Dir fällt sicher etwas ein. Aber manchmal muss man Dinge einfach aussprechen. Ich muss es. Ich weiß nicht, warum es so ist; ich wollte es nicht und ich will es immer noch nicht, aber ich kann nichts dagegen tun: Ich hab mich in Dich verliebt. Ich weiß, dass Du mich hasst und verabscheust. Mich doof findest. Nützt leider nichts.
    Wahrscheinlich war es dieser Abend, an dem ich noch mal zurück in den Stall gefahren bin, weil ich was vergessen hatte. Ich habe Meteor gerade mal zwei Wochen geritten und Du warst aus dem Krankenhaus zurück. Du hast bei Damos in der Box gestanden und es war wohl einer dieser magischen Momente zwischen Mensch und Tier. Du hast einfach da gestanden, sein Kopf lag auf Deiner Schulter und Deine Stirn an seiner, ihr wart eins. Seitdem muss ich an Dich denken.
    Fang damit an, was Du willst. Ich hab weder Hoffnungen noch Erwartungen - schon lange nicht mehr. Ich denke, Du wirst ‘ne gute Note geschrieben haben und brauchst mich nicht mehr. Na ja, was heißt mich. Mein Mathetalent.
    Aber ich musste es einfach sagen, sonst wäre ich geplatzt. Vielleicht egoistisch, ja. Aber das wirst Du wahrscheinlich am allerbesten verstehen. >Ich< ist schließlich eines Deiner Lieblingswörter.
    Bleib trotzdem so, wie Du bist.
    Tanja
    O nein. Nein. Lissi hatte recht. Es stimmt. Sie ist in mich verliebt. Ich klammere mich kurz an den aberwitzigen Gedanken, dass der Brief gefälscht ist. Ich weiß, dass er es nicht ist. Ich beginne zu rechnen. Zweieinhalb Wochen. Noch zweieinhalb Wochen bis zu den Ferien. Das muss ich irgendwie mit Anstand über die Bühne bringen. Und dann sieht sie mich sechs Wochen lang nicht und wird mich vergessen, bestimmt, sicher, rede ich mir ein.
    Das ist alles so peinlich. Ich weiß nicht. Dass sie mich damals gesehen hat mit Damos. Ja, so stehen wir oft da. Ich versuche dann, seine Gedanken zu spüren. Falls er welche hat. Keine Ahnung. Aber das tut sie doch mit Meteor sicher auch. Und deshalb verliebe ich mich bestimmt nicht gleich in sie.
    Ich falte den Brief ganz klein zusammen und stopfe ihn in die Hosentasche. Ich muss ihn Lissi zeigen. Oder wenigstens mit ihr darüber reden. Danach kann ich ihn immer noch im Klo runterspülen.
    Ich klopfe an Lissis Tür und gehe sofort rein. Doch diesmal hängt sie nicht auf ihrem Bett rum, sondern sitzt auf der Fensterbank und guckt auf die Straße. Als würde sie auf jemanden warten. Und gehört hat sie mich auch nicht.
    »Hey!«, sage ich laut. Sie zuckt zusammen und reißt sich die Kopfhörer aus den Ohren. »Kannst du nicht anklopfen?«, fährt sie mich an.
    »Hab ich«, sage ich kleinlaut. »Warum sitzt du da? Wartest du auf jemanden?«
    Sie läuft rot an.
    »Das hat dich nicht zu interessieren.«
    Langsam denke ich, dass es keine so gute Idee war, Lissi um Rat zu fragen. »Du wartest also auf Chris. Wieso wartest du auf diesen Idioten?«
    »Thomas«, sagt sie mit schneidender Stimme. »Es geht dich nichts an.«
    Hm. Wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher