Sturmtief
nickte in Richtung des Bildschirms. »Ich verrate es auch
nicht dem Datenschutzbeauftragten.«
»So schlimm ist das auch nicht«, protestierte Sven
Kayssen schwach. »Die Angaben stammen aus allgemein zugänglichen Quellen. Man
muss nur ein wenig googeln.« Er zog die Tastatur seines Computers zu sich
heran. Dann las er vor. »Robert Havenstein, siebenundvierzig, geboren in
Eckernförde, Abitur am dortigen Gymnasium Jungmannschule, dann Studium der
Germanistik und Politikwissenschaften in Kiel und bei Professor Matthis in
Bremen. Danach hat er zunächst in Flensburg beim Schleswig-Holsteinischen
Zeitungsverlag gearbeitet, bis er sich als freier Journalist betätigt hat. In
den letzten Jahren hat er viel für das Fernsehen gearbeitet,
Hintergrundberichte für die ›Tagesthemen‹ und die Redaktionen von › ARD -aktuell‹ geliefert. Regelmäßig
liefen seine Beiträge im Politmagazin ›Panorama‹. Bei alldem hat er aber nie
den Kontakt zur schreibenden Zunft verloren. Im ›Spiegel‹ war er oft vertreten,
und in seiner Heimat in Schleswig-Holstein waren seine klugen und kritischen
Berichte oft Highlights.«
»Das klingt wie eine einzige Lobeshymne.«
Kayssen nickte. »Der Mann war wirklich gut. Wenn ihn
jemand nach russischer Manier ausgeschaltet hat, dann war Havenstein einer
dicken Sache auf der Spur. Da muss sich irgendwer ganz doll gefürchtet haben.«
»Gibt es noch etwas über den privaten Robert
Havenstein in deiner Zauberkiste?« Lüder wies auf den Bildschirm auf Kayssens
Schreibtisch.
»Nein.« Der Pressesprecher schüttelte den Kopf. »Keine
Affären, keine Skandale, kein Partyleben. Zumindest nichts Öffentliches.
Havenstein war einmal verheiratet, ist aber schon über zehn Jahre geschieden.«
»Kinder?«
»Mir nicht bekannt. Ich glaube – nein.«
Lüder schüttelte den Kopf. »Es ist aber
unwahrscheinlich, dass private Motive dahinterstecken. Sex, Drogen, Geld,
Rache.«
Kayssen zuckte die Schultern. »Auf solche
Spekulationen lasse ich mich nicht ein. Das ist dein Metier.«
Lüder bedankte sich und kehrte in sein Büro zurück.
Dort ließ er die Informationen, die er bisher über das Opfer und die
Tatausführungen zusammengetragen hatte, auf sich wirken. In groben Zügen
tauchte vor seinem geistigen Auge ein Bild des ermordeten Journalisten auf.
Eine der nächsten Spuren, die es zu verfolgen galt, war die Frage nach der
Frau, die offensichtlich in Havensteins Wohnung nicht nur auf einen Drink zu
Gast gewesen war. Desgleichen galt es, systematisch die Menschen zu befragen,
mit denen Havenstein Kontakt hatte: Familienangehörige, Freunde, Kollegen,
Nachbarn. Diese Dinge waren bei Hauptkommissar Vollmers und seinen Mitarbeitern
gut aufgehoben.
Lüder hatte sich Notizen auf einem Blatt Papier
gemacht, verband einzelne Stichworte durch Striche, verwarf manche wieder und
hatte bald selbst Schwierigkeiten, sich in seinem eigenen Durcheinander zurechtzufinden,
als er auf dem Flur ein Poltern hörte. Dann drang ein lautes Stöhnen an sein
Ohr.
Lüder sah auf. In der Tür erschien ein junger Mann,
der ein Bein nachzog und einen roten Wollschal um den Kopf gebunden und über
den Haaren zusammengeknotet hatte. Friedjof, der Mitarbeiter der Haus- und
Postdienste, wie der Bürobote offiziell hieß, hatte einen Mundwinkel tief
heruntergezogen und jammerte fortwährend und gotterbärmlich: »Aua! Aua! Aua!«
Dabei grinste er Lüder aus blitzenden Augen schelmisch an.
»Friedhof«, rief Lüder, griff nach einer Handvoll
Büroklammern und warf sie dem mehrfach behinderten jungen Mann entgegen. »Hau
ab. Ich bin Doktor. Aber der Jurisprudenz und kein Zahnarzt.«
»Doktor ist Doktor«, lachte Friedjof, der seine
Heiterkeit nicht mehr unterdrücken konnte. »Hallo, Herr Oberjagdrat. Wie geht
es dir?« Der junge Mann war stolz, dass Lüder ihm schon vor langer Zeit das
»Du« angeboten hatte. Auf ihre Weise hatten die zwei eine Art Freundschaft
geschlossen.
»Ich bin gerade dabei, ein todsicheres System
auszuklügeln«, sagte Lüder.
Friedjof war näher gekommen und betrachtete neugierig
Lüders Schmierereien. »Seitdem du Doktor bist, geht es auch abwärts mit dir«,
sagte er kess.
Lüder tippte mit dem Zeigefinger auf das Papier. »Ich
überlege gerade, wie man den Postminister des LKA ermordet, zu Leim kocht und damit Briefmarken bestreicht.«
»Oh, klasse«, erwiderte Friedjof. »Dann fang sofort
damit an. Ich freue mich darauf, dass ich dann von allen Sekretärinnen des Amts
abgeleckt
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