Sturmtief
der
Kriminaltechniker.
Lüder unternahm einen Rundgang durch die Wohnung. Havenstein
schien zu den Besten seiner Zunft gehört zu haben. Die Einrichtung war nicht
nur geschmackvoll zusammengestellt, sondern auch von guter Qualität. Das war
auch bei den Wohnaccessoires und dem Hausrat der Fall. Lüder öffnete den
Kleiderschrank. Akkurat war die Wäsche zusammengefaltet oder aufgehängt. Ein
Blick auf die Etiketten zeigte, dass Havenstein auch bei der Bekleidung teure
Fachgeschäfte aufgesucht hatte.
»Haben Sie etwas gefunden?«, fragte Lüder.
»Nur das, was Sie auch sehen.« Der Beamte von der
Spurensicherung ließ seinen Arm kreisen. »Uns ist aufgefallen, dass es keinen
Computer gibt, obwohl ein DSL -Router
vorhanden ist. Ich habe mir das Ding angesehen. Es hat den Anschein, als hätte
der Wohnungsinhaber gleich mehrere Geräte gleichzeitig betrieben. Außerdem
haben wir kein einziges Speichermedium gefunden, keinen USB -Stick, keinen SD -Chip.
Einfach nix. Man sollte meinen, dass ein Reporter genügend davon hat. Allein
für die Fotoapparate benötigt man so etwas. Übrigens – beim Einbruch muss der Täter
nicht nur die Computer, sondern auch die Kameras mitgenommen haben.«
»Gibt es Fremdspuren?«, fragte Lüder.
»Jede Menge. Wir haben eine Reihe von Fingerabdrücken
feststellen können. Vieles deutet auf eine Frau als Besuch hin. Das haben wir
gesichert. Die Auswertung wird allerdings eine Weile dauern.« Es klang fast wie
eine Entschuldigung.
»Das ist alles?«
Der Beamte zeigte auf einen Papierstapel. »Das sieht
aus wie Unterlagen für die Buchhaltung. Oder das Finanzamt. Es ist zwar nicht
unser Metier, aber ich habe das vorhin flüchtig durchgesehen. Darunter sind
Kreditkartenabrechnungen und Hotel-, Tank- und Restaurantquittungen.«
»Die Auswertung wird sicher interessant«, stimmte
Lüder zu.
Der Spurensicherer zog kurz und kräftig die Nase hoch.
»Der Mann muss viel unterwegs gewesen sein. Hamburg, viele Autobahntankstellen,
Berlin, Frankfurt, Kopenhagen und so weiter.«
»Haben Sie Ost- oder Südeuropa gesehen?«, fragte
Lüder, sich erinnernd, dass der Mordschütze ein südländisches Aussehen haben
soll.
»Ist mir nicht aufgefallen.« Der Beamte zuckte mit den
Schultern. »Allerdings ist mir etwas anderes ins Auge gesprungen.« Er legte
eine kleine Pause ein. »Das Opfer war – wie gesagt – viel unterwegs. In großen
Städten, in den Metropolen.« Um seine Überlegungen zu unterstreichen, legte der
Kriminaltechniker zwei Finger gegen seine Schläfe. »Da hat es mich stutzig
gemacht, dass da auch in jüngster Zeit zwei Tankquittungen aus Oldenburg dabei
waren.«
»Welches Oldenburg?«, fragte Lüder.
»Na! Unseres. Das in Holstein. Das gehört sicher nicht
zu den großen Metropolen, wo der Tote offenbar sonst verkehrte.«
»Zeigen Sie mir die bitte«, bat Lüder.
Tatsächlich fanden sich zwei Tankbelege einer
Tankstelle aus Oldenburg in Holstein. Die jüngste Quittung war gerade zwei Tage
alt. Lüder notierte sich Name und Anschrift sowie Datum und Uhrzeit.
Der Beamte der Spurensicherung sah ihm aufmerksam zu.
Dann kratzte er sich bedächtig die Stelle an der Stirn, wo die Haare einer
Geheimratsecke gewichen waren. »Wenn Sie auf solche Besonderheiten aus sind«,
sagte er, »da war noch ein Ausreißer.«
Lüder sah ihn erwartungsvoll an.
»Geesthacht.«
Lüder bedankte sich bei dem Beamten. Unverhofft hatte
er plötzlich eine erste Spur, wenn auch nur eine fast unbedeutende. Was wollte
Havenstein in Oldenburg? Geesthacht war interessanter. Dort befand sich das
Atomkraftwerk, über das ganz Deutschland sprach: Krümmel. Seit Langem hielt
sich ein unbestätigtes Gerücht, dass es in dessen Umfeld zu vermehrten
Leukämieerkrankungen bei Kindern gekommen sei. Und Havenstein hatte in der
Buchhandlung zwei außergewöhnliche Titel bestellt. Ein Buch behandelte die
Atomkraft, das zweite Leukämie. Hatte der Journalist eine heiße Story um den
Atommeiler aufgetan? Lüder schüttelte den Kopf, was ihm einen ratlosen Blick
seines Gegenübers einbrachte. Nein! Die Spekulation war zu weit hergeholt.
Selbst wenn Havenstein auf Außergewöhnliches gestoßen sein sollte, war es mehr
als abenteuerlich, dass aus dem Umfeld des Kraftwerks Mordaufträge erteilt
würden.
Lüder dankte dem aufmerksamen Beamten und wünschte ihm
und seinem Kollegen einen schönen Feierabend.
Es war Routinearbeit, Menschen zu befragen, die in
irgendeinem Zusammenhang mit Robert Havenstein stehen könnten, nach
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