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Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Sekretärinnen unterbrochen,
die ein Tablett mit einer Thermoskanne, zwei Tassen, Milch, Zucker und einem
Teller mit Keksen brachte und vor den beiden Männern eindeckte.
    Währenddessen sah sich Lüder im Raum um. Ihm fiel ein
Bild auf, das die Seitenwand zierte. Vor einem hellen Hintergrund zeigte es
eine gespreizte blaue Hand, hinter deren Fingern sich ein Drache verbarg. Lüder
meinte zumindest, einen solchen zu erkennen.
    »Interessant«, sagte Lüder und zeigte auf das Bild.
    »Das ist ein Stümer«, sagte der Ministerpräsident und
ergänzte: »Ein Geschenk. Acryl auf Karton, wenn es Sie interessiert, und heißt
›Die blaue Hand‹.« Er ließ offen, wer der Spender war und ob es dem Land oder
ihm persönlich zugedacht war.
    Dann kam er auf sein eigentliches Anliegen zurück. »Es
darf keine rechtsfreien Räume geben. Deshalb würde ich Sie bitten, sich neben
der natürlich offiziell eingesetzten Sonderkommission um die möglichen
Hintergründe dieser Tat zu kümmern.«
    »Um welche?«, fragte Lüder schnell.
    Aber der Regierungschef war ein erfahrener
Vollblutpolitiker. Er ließ sich durch die Nachfrage nicht irritieren. »Das
gerade sollen Sie herausbekommen.«
    »Haben Sie Anhaltspunkte?«
    Der erste Bürger des Landes schüttelte den Kopf. Dann
fuhr er sich – wieder einmal – mit der Hand über den Bart.
    »Welchen Verdacht haben Sie?«, hakte Lüder nach.
    »Ich würde es Sie wissen lassen.«
    »Ein Einzelkämpfer kann nicht besser sein als eine mit
erfahrenen Beamten besetzte Kommission, von denen jeder einzelne ein
ausgewiesener Experte ist.«
    »Daran zweifele ich nicht. Ich würde Sie dennoch
bitten, meiner Bitte nachzukommen. Als Ein-Personen-Task-Force sind Sie
beweglicher.«
    »Sie wollen mich aber nicht in die James-Bond-Ecke
stellen?«
    Der Ministerpräsident ließ sein bekanntes dröhnendes
Lachen hören. »Sie haben alle Vollmachten, die Ihnen die Landesregierung
erteilen kann, und müssen keine Sorge haben, dass hinterher jemand sagt: ›Den
kennen wir nicht.‹ Dass wir dabei den legitimen gesetzlichen Rahmen nicht
verlassen, bedarf keiner besonderen Erklärung.«
    Lüder lehnte sich entspannt zurück. »Sie gehen nicht
im Ernst davon aus, dass ich – als Solist – Ihnen den Täter und die
Hintermänner liefere?«
    »Ich möchte wissen und verstehen, warum so etwas bei
uns in Schleswig-Holstein geschehen konnte.« Der Regierungschef sah auf die
Uhr. »Ich glaube, Ihr Auftrag ist klar definiert.« Er stand auf. »Jetzt
entschuldigen Sie mich bitte, aber das Regierungsgeschäft besteht aus vielen
kleinen Puzzlesteinen, nicht nur aus großen Entscheidungen.« Er lächelte Lüder
an und blinzelte. »Oder aus Repräsentationsaufgaben, die auch zu den Aufgaben
eines Landesvaters gehören.«
    Er gab Lüder die Hand und wünschte ihm viel Glück.
»Meine Tür steht für Sie immer offen«, schloss er und geleitete Lüder aus dem
Raum.
    Die Rückfahrt zum Landeskriminalamt nutzte Lüder, um
noch einmal über den merkwürdigen Auftrag nachzudenken. Der Ministerpräsident
hatte den Ruf eines volksnahen und ehrlichen Mannes, aber dennoch hatte er
Lüder etwas verschwiegen. Er hatte ein unbestimmtes Gefühl, das rational nicht
zu erklären war. Irgendwie fühlte Lüder sich unbehaglich. Er scheute nicht die
Herausforderung, aber oft genug war er in Situationen geraten, die außerhalb
dessen lagen, was sich der Bürger unter der Polizeiarbeit vorstellte. Sollte er
wieder »ins Feuer geschickt« werden? Erneut zwischen die Mühlsteine der Politik
geraten? Lüder wäre froh gewesen, wenn er von neuen Herausforderungen dieser
Art verschont geblieben wäre.
    Auf seiner Dienststelle suchte er kurz das Vorzimmer
des Kriminaldirektors auf.
    »Moin, Frau Beyer«, sagte er betont lässig und zeigte
mit dem Daumen auf die Tür des Abteilungsleiters. »Sagen Sie ihm, dass ich mit
einem Sonderauftrag beschäftigt bin.«
    »Ja, aber … Herr Lüders. Wollen Sie es Dr. Starke
nicht selbst erklären?« Edith Beyer sah nicht sehr glücklich aus.
    »Wenn er etwas wissen will, kann er sich bei mir
melden.«
    Bevor Frau Beyer antworten konnte, war Lüder weiter zu
seinem Arbeitsplatz gegangen.
    Es dauerte keine zehn Minuten, bis Dr. Starke in
Lüders Büro auftauchte. Er nahm ungefragt Lüder gegenüber am Schreibtisch
Platz.
    »Was hat Ihr Gespräch in der Staatskanzlei ergeben?«,
fragte der Kriminaldirektor.
    »Ich habe mit dem Chef persönlich geplaudert.«
    »Der Staatskanzlei?«
    Lüder schüttelte den Kopf.

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