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Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Jeans und einen beigefarbenen Rollkragenpullover, an
dessen Kragen eine grellbunte Mickey-Mouse-Figur als Sticker angeheftet war.
Als Lüder lächelte, antwortete der jugendlich-frisch wirkende Doktor ebenfalls mit
einem Lächeln. Dann sah er Lüder fragend an.
    »Ich komme vom Landeskriminalamt und ermittle in einer
anderen Sache. Peripher bin ich dabei auf die rätselhaften Leukämieerkankungen
gestoßen, die seit über zwanzig Jahren diese Region beschäftigen. Ähnliches hat
auch Robert Havenstein recherchiert.«
    Dr. Feldkamp zeigte sich gut informiert. »Den man
jetzt ermordet hat. Wo war das noch gleich?«
    »Eckernförde«, half Lüder nach.
    »Richtig.« Der Arzt griff sich einen Kugelschreiber
vom Schreibtisch und drehte ihn nervös zwischen seinen Händen. Dann ließ er den
Kugelschreiber artistisch nur um die Finger der rechten Hand kreisen. »Das hat
mich tief berührt«, sagte er. »Der Mord. Komisch.« Er hielt einen Moment inne.
»Es ist noch gar nicht lange her, da hat Herr Havenstein mir
gegenübergesessen.« Dr. Feldkamp schien für einen Moment in sich
hineinzuhorchen. »Hier. Dort, wo Sie Platz genommen haben. Er hat mir die
gleiche Frage gestellt. Wie Sie jetzt …«, ergänzte der Arzt.
    »Sie sind Mitglied der Bürgerinitiative gegen das
Atomkraftwerk.«
    Der Arzt nickte versonnen. »Mehr als tausend
Atomkraftgegner haben am Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl in
Krümmel gegen eine erneute Inbetriebnahme des Atommeilers protestiert. Ich war
einer von ihnen. Krümmel darf nicht wieder ans Netz gehen, haben wir, die
Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen, gefordert. Jüngst ist wieder ein Kind
in der Elbmarsch an Leukämie erkrankt. Deshalb fordern wir Ärzte und die Bürger
das endgültige Aus des Meilers. Im Umkreis von fünf Kilometern um das
Atomkraftwerk sind seit 1989 neunzehn Kinder an Blutkrebs erkrankt.«
    »Es gibt keine Studie, die nachgewiesen hat, dass der
Reaktor dafür verantwortlich ist«, warf Lüder ein. »Und es gab zahlreiche
Studien.«
    Dr. Feldkamp winkte ab. »Würden Sie an deren Stelle
etwas anderes behaupten? Wir sprechen vom Leukämiecluster Elbmarsch.
Unbestreitbar gibt es eine Häufung von Leukämieerkrankungen im Gebiet rund um
Krümmel. Es handelt sich hierbei um die weltweit höchste dokumentierte
Leukämierate bei Kindern auf so engem Raum.«
    »Wie gesagt – die Ursachen sind nicht eindeutig
nachweisbar«, wandte Lüder ein.
    »Man hat die schleswig-holsteinische Kommission in
ihrer Arbeit behindert, weil sie unliebsame Erkenntnisse publiziert hat«, sagte
der Arzt. »Die Wissenschaftler haben der Landesregierung und der
Staatsanwaltschaft Behinderung ihrer Arbeit vorgeworfen.«
    Lüders Gedanken schweiften kurz zu Oberstaatsanwalt
Brechmann ab, von dem auch zu vermuten war, dass er die Fälle manchmal nach
politischen und nicht nach rechtlichen Grundsätzen beurteilte.
    »Die Kommission hatte einen Vorfall auf dem Gelände
der GKSS «, damit meinte er die
Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt, »als eine
der möglichen Ursachen ins Auge gefasst. Die Landesregierung hat das als
abwegig, abstrus, haltlos und unseriös abgetan und ihr Vertrauen der
niedersächsischen Kommission ausgesprochen, die zu anderen Ergebnissen gekommen
ist. Die beiden betroffenen Länder haben daraufhin die ›Akte Elbmarsch‹
geschlossen. Es ist schwierig, neutrale Wissenschaftler zu finden. So hat das ZDF in einer Reportage behauptet, viele
Institute würden aus Existenzangst keine Untersuchungen mehr zum Thema Krümmel
vornehmen, da sie von Regierungen und anderen Behörden sonst keine Aufträge
mehr erhalten würden.«
    Ob Robert Havenstein an diesem Punkt neu recherchiert
hatte?, fragte sich Lüder.
    Dr. Feldkamp nickte. Es wirkte wie geistesabwesend.
»Natürlich kenne ich das Gerede um andere Gründe. Neben dem Atomkraftwerk wird
die ehemalige Sprengstofffabrik ins Gespräch gebracht. Und auch an die GKSS muss man denken. Während der ganzen
Diskussion um Krümmel vergisst man allzu leicht, dass gleich nebenan bei der GKSS ein weiterer Reaktor steht, der zu
Forschungszwecken benutzt wird.«
    Dr. Feldkamp fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht.
Lüder erschien es wie eine Geste der Resignation. »Ich bin Mitglied im Verein
›Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs‹. Und das aus
Überzeugung. Da ist es mir völlig gleich, wer die Schuld trägt, solange unschuldige
Kinder darunter zu leiden haben.«
    Er zeigte

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