Sturmwarnung
seitdem von Jahr zu Jahr ernster geworden. Bis 1999 sind die Temperaturen
in der Stratosphäre, die in der Regel bei minus 45 Grad liegen, auf minus 62
Grad gesunken. Inzwischen betragen sie im Schnitt minus 73 Grad. In der der
Erdoberfläche nahen Troposphäre, vor allem in der Arktis, sind die Temperaturen
unterdessen beständig gestiegen. Wie von verschiedenen Modellen zur globalen
Klimaerwärmung vorausgesagt, verläuft der Anstieg in den mittleren Breiten
gemäßigt und im hohen Norden dramatisch. Einer bloßen Zunahme um zwei Grad in
Phoenix, Arizona, steht ein Plus von acht Grad am Nordpol gegenüber.
Ein
solcher Wärmestau nahe der Erdoberfläche gepaart mit eisiger Kälte in den
oberen Bereichen der Atmosphäre ist noch nie von Meteorologen registriert und
in keinem der Modelle zur Wettervorhersage erfasst worden. Insofern stellt der
Supersturm eine Überraschung dar.
Tatsächlich
ist es an der Erdoberfläche so warm, dass Hokaido, Japans nördliche Insel,
überhaupt keinen Schnee mehr bekommt. Und in New York hat es in den letzten
Jahren bis auf gelegentliche Schauer so gut wie gar nicht geregnet. Aber jetzt
scheinen die Regengüsse kein Ende mehr zu nehmen. Amerikanische Wissenschaftler
haben schon berechnet, warum die Wochenenden feuchter als die Arbeitstage sind.
Ihrer Meinung nach liegt das daran, dass die Luftverschmutzung unter der Woche
ihre höchsten Werte erreicht, sich mit dem Wasserdampf in der Luft mischt und
die immer schwerer werdenden Wolken sich ab Freitag leeren.
Im Januar
wird das Wetter kälter. In Kanada gibt es einen Kälteeinbruch, und im Norden
frieren einige Seen zu. In Kansas City ist der Himmel klar, und an Silvester
hat man einen einmaligen Blick auf den Sternenhimmel. In Grönland dagegen ist
der Sachverhalt ein ganz anderer. Hier bietet sich ein merkwürdiges Bild.
Aus dem
Süden weht eine starke Warmluftströmung heran, und der ohnehin schon dezimierte
Grönlandgletscher entlädt erneut gewaltige Eismassen in die Fjorde. In dem Maße, in dem sich die Warmluft über der Erde
staut, steigen die Temperaturen – nicht nur in Grönland, sondern in der
gesamten Arktis. Das Eis, das nach mehreren warmen Jahren bereits geschwächt
ist, beginnt zu schmelzen. Von den Polkappen steigt Wasserdampf nach oben, und
obwohl eigentlich tiefster Winter sein sollte, bilden sich riesige offene
Wasserflächen.
Warmluft strömt zur Küste,
und während man in New York einen weiteren Januar ohne Wintermantel genießen
kann, braut sich über der Baffin Bay der große Sturm zusammen. Doch es ist
nicht das einzige Unwetter. Die Bedingungen sind in der ganzen südlichen Arktis
die gleichen. Weil die Polkappe so dezimiert ist, fällt die Strömung kalter
Luft nach Süden nicht so stark aus, wie sie sein sollte. Zugleich drängt von
den niedrigen Breitengraden Warmluft heran, die die Temperaturen immer weiter
nach oben treibt. In einem Gebiet, wo in dieser Jahreszeit nur Schnee liegen
sollte, beginnt es zu regnen. Das führt zwangsläufig zu Schmelze. Rasch sammelt
sich eine in dieser Form noch nie da gewesene Flut von Süßwasser an. Was sich
nicht ins Meer ergießt, verdunstet. Weiter südlich dagegen kühlt das Meer wegen
der polaren Strömung ab, sodass dort auf einmal klirrende Kälte herrscht.
Vielerorts spottet man schon über all das Gerede von globaler Erwärmung, ohne
zu ahnen, dass es genau dieses Phänomen war, das den Frost gebracht hat.
Zu diesem
Zeitpunkt liegt die Oberflächentemperatur jenseits des Polarkreises weit unter
null. In höheren Bereichen pumpt die Strömung aus den Tropen aber weiterhin
Warmluft nach Norden. Damit nicht genug: Die zwei Luftschichten erzeugen einen
Strudel, der mit ungeheurer Kraft extrem kalte Luft aus der Stratosphäre
ansaugt.
In
Satellitenbildern wird der Sturm zunächst als Serie von nicht miteinander verbundenen Wolkenwirbeln
sichtbar, die sich nach und nach zu einer Front knapp oberhalb des Polarkreises
vereinen. Dabei entfalten sie über offenem Wasser ihren stärksten Sog.
Innerhalb der Sturmgebilde
beginnen Superzellen auszubrechen, während am Pol weiterhin arktische Kälte und
Warmluft aus dem Süden aufeinander prallen. Das alles vollzieht sich in einer
nach der Schnee- und Eisschmelze mit Wasserdampf übersättigten Atmosphäre.
Ein
Tornado fegt durch sechs sibirische Dörfer, und in Juneau schlägt ein Sturm mit
einer Windgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern zu, der die Straßen fast
einen Meter hoch mit Hagelkörnern bedeckt. Obwohl
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