Sturmwarnung
und
Straßen unpassierbar gemacht haben. Bald aber – zu bald – sickert der
Flüchtlingsstrom nur noch. Dann versiegt er ganz.
Die ersten Einwohner von
Quebec, dann von Ottawa und schließlich von Toronto ziehen südwärts. In
Westkanada ist eine wahre Auswanderungswelle in Richtung Vereinigte Staaten im
Gange. Dort werden Anweisungen, die Grenze zu öffnen, widerrufen. Der
Gouverneur von Maine mobilisiert die Nationalgarde.
Binnen weniger Tage
verschlechtert sich die Lage derart dramatisch, dass die Maßnahmen zur
Abschottung des eigenen Landes jede Bedeutung verlieren. Winde mit
Geschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern peitschen über die Great Lakes und
bringen Eisregen und Schneeschauer. Die Wolken türmen sich höher als je zuvor
auf; ihre Spitzen reichen bis weit in die Stratosphäre. Wenn die feuchte Luft
des Sturms dieses extrem kalte Gebiet passiert, kühlt sie sich unvorstellbar
schnell ab und stürzt aus 20 Kilometern Höhe der Erde entgegen.
Nach und
nach organisiert sich ein halbes Dutzend Stürme zu größeren Systemen. Jetzt
tritt ein völlig neues Phänomen auf: Die extrem vereiste Luft in den
Wolkenspitzen, die bis in die Stratosphäre hinaufreichen, erreicht den Boden so
schnell, dass sie sich nicht mehr erwärmen kann. Was immer diese Todessäulen
berühren, gefriert binnen Minuten. Die Siedlungen in der Arktis sind von jedem
Kontakt mit der Außenwelt abgeschnitten. Eine Möglichkeit, sie zu erreichen,
gibt es nicht: Der Verkehr über Land ist zusammengebrochen, und Flugzeuge
können nicht aufsteigen. Die Satelliten melden nichts von dem, was sich unter
der dichten Wolkendecke abspielt. Die Opfer, von denen einige so schnell
erfroren sind, dass ihnen das Abendessen noch im Mund steckt, wird man erst in
Tausenden von Jahren finden. Wie bei den Mammuts, die ihnen im letzten Sturm vorangegangen sind, werden ihre
Überreste der Zukunft offenbaren, dass etwas Rätselhaftes und Schreckliches
geschehen sein muss, doch mit ihnen ist auch die Erinnerung an den Kataklysmus
gestorben.
Während die Stürme sich
weiter vereinigen, wird die tropische Strömung selbst zum Gefahrenherd.
Dauerwinde mit einer Geschwindigkeit von über 230 Stundenkilometern fegen von
Süden her über die Rocky Mountains hinweg und zerstören jede menschliche
Siedlung, die ihnen im Weg ist. Nördlich der Linie Denver-Richmond ist kein Flugverkehr
mehr möglich.
Im Weißen Haus wird eine
Sonderkonferenz einberufen, aber die Vertreter der NOAA aus Colorado können nur per Telefon daran
teilnehmen, weil inzwischen jede Reise zu langwierig und vor allem gefährlich
wäre. Die Ankunft der Flüchtlingsströme aus dem Norden hat im mittleren Teil
der Vereinigten Staaten eine Massenpanik ausgelöst, und weil sich nun immer
mehr Menschen dem Treck nach Süden anschließen, drohen die Wirtschaft und der
Dienstleistungsbereich zusammenzubrechen.
Während im Weißen Haus die
Krisenkonferenz abgehalten wird, peitschen Böen mit Geschwindigkeiten von über
hundertsechzig Kilometern durch die Straßen Washingtons. Russland ist
telefonisch nicht mehr erreichbar. Schweden, Norwegen und Finnland melden
Schneestürme von noch nie da gewesener Heftigkeit.
Die
königliche Familie von Großbritannien ist auf ihrem schottischen Sitz Balmoral
von einem Eissturm eingeschlossen worden, der die ganze Gegend lahm gelegt hat.
Man wird sie nie wieder lebend sehen.
Der
amerikanische Präsident ruft den nationalen Ausnahmezustand aus und verhängt
das Kriegsrecht. Dazu mobilisiert er die Nationalgarde, aber inzwischen ist die Lage so dramatisch, dass nur ein kleiner Teil der
Einheiten aufmarschieren kann.
Die
Autobahnen sind mit Wagen verstopft, die allesamt in Richtung Süden unterwegs –
oder vielmehr nicht mehr unterwegs – sind. Die Messstation der NOAA in Colorado fällt wegen Windschäden aus.
Zwei Tage
nach der Konferenz im Weißen Haus leitet die Regierung ihren Umzug in ein vom
Sturm verschont gebliebenes Gebiet ein, aber dafür ist es zu spät. Der
Präsident und seine Mitarbeiter sind wie jeder Normalbürger gezwungen, die
Straßen zu benutzen, die zwischen Virginia und Texas hoffnungslos überfüllt
sind.
Über
größeren Wasserflächen toben inzwischen Dauerwinde mit Geschwindigkeiten von
300 und mehr Stundenkilometern. Die vielen Stürme haben sich jetzt zu einem
gigantischen Zyklon vereinigt. Dieser läuft im Prinzip wie jeder andere
Hurrikan ab, nur hat er ein Ausmaß erreicht, wie man es nie für möglich
gehalten hätte. Seine
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