Sturmwelten 01
gewinnen könnten. Ein Schiff mehr, Gold von Tareisa und genug Männer und Frauen, um unsere Flotte schlagkräftig zu machen!«
»Ah, Pertiz’ Flotte! Ich vergaß deinen Traum von einer Seemacht, der sich alle beugen müssen.«
Der Kapitän lachte, doch seine Augen blieben kalt und distanziert.
»Unsere Flotte, Rénand, nicht meine.«
»Der beste Weg für einen Piraten, um zu überleben, ist, unterhalb des Horizonts zu segeln. Außer Sicht zu bleiben, bis es für das Opfer zu spät ist. Eine Flotte ist auffällig, sie bietet ein Ziel. Sie braucht einen Hafen, eine Heimat. Weit mehr als nur ein einziges Schiff. Wir sind keine Nation.«
»Als sich der Viererbund von Thaynric lossagte, dachten alle, dass sie kein Jahr durchhalten. Jetzt sind es wie viele? Zwanzig? Sie haben zwei Invasionen zurückgeschlagen!«
»Diese Inseln liegen günstig für ein derartiges Unterfangen. Und sie haben einen hohen Blutzoll bezahlt. Das kannst du nicht vergleichen.«
»Selbst wenn wir hier nicht über eine Flotte reden, sollten wir den Sklaven helfen.«
»Warum? Weil es der Bursche da versprochen hat und dich nun bittet, für ihn sein Wort zu halten?«, erwiderte Deguay mit einem abfälligen Blick zu Jaquento. »Das Leben ist hart, und manchmal bricht man sein Wort. Sogar wenn man Hiscadi ist.«
»Hier geht es nicht um mich... Käpt’n. Hier geht es um zweihundert Seelen, denen wir helfen könnten. Und um ein paar Dutzend gute Männer und Frauen für die Schiffe. Wir müssen es tun.«
Zweifelnd blickte Deguay von Jaquento zu Pertiz. In der Miene des Kapitäns arbeitete es. Schließlich fragte er: »Siehst du das ebenso?«
»Ja.«
»Gut. Denk noch einmal darüber nach. Ich sage, wir treffen uns um Mitternacht wieder. Überlege dir alle Konsequenzen, und sage mir dann, wie du dich entschieden hast.«
Ohne ein weiteres Wort erhob er sich und verließ das Bordell.
Jaquento sah Pertiz an, der grinsend seinen Becher hob: »Auf dein Wohl. Ich hätte nicht gedacht, dass Rénand sich umstimmen lässt. Und schon gar nicht so einfach.«
»Noch hat er den Plan nicht geändert«, wandte der junge Hiscadi ein, der ebenfalls von Deguays Reaktion überrascht war. Eigentlich hatte er ihr Gespräch als einen letzten und verzweifelten Versuch angesehen, doch allem Anschein nach hatten sie den Kapitän überzeugt.
Unvermittelt sprang Sinosh von seiner Schulter hinab und landete mit einem dumpfen Knall auf dem Tisch. Bevor Jaquento reagieren konnte, trippelte die Echse davon, stieß dabei den Weinbecher um, sprang elegant auf den Boden und rannte dann quer durch den Schankraum. Sie huschte einem Piraten durch die Beine, als dieser das Bordell betrat, und verschwand in der Abenddämmerung.
»Was war das?«
»Vermutlich hat jemand ein Fass mit Pökelfleisch aufgemacht«, meinte Jaquento. »Er hat eine Nase für so was.«
Doch das schnelle Verschwinden der Echse verunsicherte ihn mehr, als er zugeben wollte. Sinosh schien auch ein feines Gespür für Ärger zu haben.
FRANIGO
Der Gürtel saß unangenehm eng, doch Franigo war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Es war nicht ratsam, in diesen Gassen allzu sehr aufzufallen; und heute trug er genug Gold am Leib, um Schakale, Wölfe und vermutlich sogar Löwen zu einem Überfall zu verleiten.
In diesen Gassen mochten unbescholtene Bürger vor Angst erbleichen, aber Franigo zählte sich nach wie vor selbst nicht zu diesen, auch wenn er vorsichtig war.
Diese Vorsicht äußerte sich darin, dass er unauffällige Kleidung für diesen Gang ausgewählt hatte, auch wenn seine Garderobe in letzter Zeit eher auf das Gegenteil ausgerichtet gewesen war. Immerhin musste er seinen neuen Status auch angemessen demonstrieren. Seine Finanzen mochten derzeit ein komplexes Geflecht aus Verpflichtungen, Krediten, Vorschüssen, Versprechungen und Hoffnungen sein, doch darum scherte er sich nicht. Geld würde sich einfinden, angelockt durch seine Schreibfeder und den Ruf, den diese ihm verschaffte.
Manchmal erschien es dem Poeten, als teile sich die Welt in zwei Lager: jene mit Talent und jene mit Geld. Der Trick war es wohl, beide zusammenzubringen, damit eines auf die andere Seite übersprang. Auf jeden Fall gab es genug Geldsäcke, denen es an Kultur mangelte und die dem alten Irrglauben verfallen waren, man könne diese käuflich erwerben, wie einen Aal zum Abendessen oder die silbernen Teller, von denen man diesen verspeiste. Was sie nicht verstanden, war ganz simpel: dass Kultur in all ihrer
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