Sturmwelten 01
Deck trat – zum ersten Mal, seit sie aus dem Hafen ausgelaufen waren.
»Seid Ihr wohlauf?«, erkundigte sich Pertiz, als die mysteriöse Frau zu ihnen herüberkam.
»Danke der Nachfrage, Capitane. Jaquento, Sinosh«, sagte sie mit einem Nicken. »Ich habe lediglich die Zeit genutzt, um ein wenig in mich zu gehen.«
»Seekrankheit?«, vermutete Jaquento, doch sie lachte leicht und winkte ab.
»Dagegen gäbe es Mittel. Nein, nichts dergleichen. Ich wünsche, die Gespräche zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen, und bereite mich darauf vor.«
»Habt Ihr nun einen Namen, Meséra? Es ist einigermaßen ermüdend, unseren Gast stets beschreiben zu müssen, auch wenn Eure Vorzüge das natürlich erleichtern.«
»Oh, ich bin also Gesprächsthema an Bord?«
»Selbstverständlich. Seeleute tratschen gern, und es ist sonst nicht unsere Angewohnheit, Gäste aufzunehmen«, erläuterte Pertiz, fügte jedoch mit einem Seitenblick auf Jaquento hinzu: »Obwohl es natürlich manchmal vorkommt. Aber wie mein Freund hier schon fragte: Wie dürfen wir Euch nennen?«
»Tareisa. Das … genügt vollkommen. Ich würde Euch bitten, diesen Namen nicht laut zu verkünden, aber ich nehme an, dass auf einem Schiff ein Geheimnis selten ein solches bleibt.«
»Ihr habt recht, Meséra. Obwohl wir es gerne versuchen können. Ein sehr schöner Name; hiscadisch, nicht wahr?«
»Mag sein«, erwiderte sie lächelnd, hob dann ihren Blick und deutete mit einem schlanken Finger den Mast empor: »Seht, ein Albatross.«
Tatsächlich hatte sich ein sehr großer Vogel auf einer Rahe niedergelassen und putzte nun mit dem Schnabel sein weiß-braunes Gefieder. Inmitten der Segel war er als weißer Fleck gut zu erkennen, und schon bald hatten ihn einige Seeleute erspäht.
»Hoi! Ein Prachtexemplar! Heute Abend gibt es Vogelsuppe!«
Mit diesen Worten rannte ein Rotschopf, dessen Gesicht mit Sommersprossen übersät war, unter Deck.
»Vogelsuppe?«, erkundigte sich Tareisa.
»Wenn man Hunger hat, lässt sich aus allem eine gute Suppe kochen«, führte Pertiz aus.
»Ich halte diese Jagd für keine gute Idee«, stellte die Frau fest. »Es bringt Unglück, einen Albatross zu töten. Es heißt, dass sie Kreaturen der Magie sind – der Vigoris, welche die Winde beherrschen kann – und ihr Tod diese zum Schaden ihrer Mörder entlässt. Möglicherweise sind diese Geschichten nur Ammenmärchen, Seemannsgarn, nennt es, wie Ihr wollt, aber ich würde das Risiko nicht eingehen wollen.«
Ihr Blick war fest, ihre dunklen Augen waren so ausdruckslos wie zwei Onyxe, und Jaquento glaubte ihr. Seufzend stieß er sich von der Reling ab und schlenderte zum Niedergang, wo der Rotschopf gerade mit einer Muskete mit langem Lauf an Deck stürmte.
»Kamerad, es ist nicht gut, dieses Tier zu töten. Wir haben genug Vorräte. Es wäre mir lieber, du würdest es lassen«, erklärte Jaquento ruhig.
»Nicht gut? Das ist ein Vogel. Endlich eine Abwechslung zu dem verdammten Pökelfleisch. Ich kann keine Schildkröte mehr sehen!«
»Dein Name ist Thryd, wenn ich mich nicht irre?«
Der Rotschopf nickte und hielt die Muskete trotzig wie einen Schutz vor die Brust.
»Thryd, es bringt Unglück, einen Albatross zu töten. Jeder weiß das«, log Jaquento, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hielt dem wütenden Blick des jungen Mannes stand, der sich daraufhin Hilfe suchend an Deck umsah. Doch die Piraten verfolgten das Gespräch nicht weiter, und so ließ Thryd die Muskete sinken und verschwand verärgert unter Deck.
Betont ruhig kehrte Jaquento zu Pertiz und Tareisa zurück, da erblickte er am Horizont einen kleinen, hellen Fleck. »Segel!«
»Mein Glas«, rief Pertiz und hielt sein Fernrohr sofort ans Auge, kaum dass es ihm gebracht wurde. Zufrieden nickte er Tareisa zu. »Die Todsünde . Bald könnt Ihr Kapitän Deguay Euer Angebot unterbreiten.«
»Exzellent, Capitane Pertiz. Mir scheint, als bekäme ich Gelegenheit, nun die beiden Kapitäne anzuheuern, die am besten für diese Aufgabe geeignet sind.«
»Sicherlich«, erwiderte Pertiz, doch sein Blick ging zurück zu den Segeln am Horizont. »Sicherlich.«
Die beiden Schiffe fuhren wenige Dutzend Meter voneinander entfernt mit größtenteils gerefften Segeln einen parallelen Kurs, während ein Beiboot der Windreiter zu der Todsünde hinüberruderte. Pertiz steuerte, und Tareisa saß im Bug, während Jaquento sich mit sieben weiteren Seeleuten in die Riemen legte. Der Wind hatte aufgefrischt, und die See war
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