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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Rahel musterte ihn mit schräg gelegtem Kopf, und er hielt ihrem Blick stand. Es fiel ihm schwer, die ersten Tage an Bord der Todsünde vor sein inneres Auge zurückzuholen. Seither schien viel Zeit vergangen zu sein. Es war ihm, als wäre, was er mit Rahel geteilt hatte, bereits beendet gewesen, als er mit Pertiz auf die Windreiter gewechselt war.
    »Pertiz und ich werden mit Euch die Details aushandeln, Tareisa. Ich bin sicher, dass Ihr unsere Forderungen angemessen finden werdet. Wenn Ihr uns entschuldigt?«, ertönte Kapitän Deguays Stimme.
    Bis auf die drei verließen alle die Kajüte. Eigentlich war Jaquento froh, den für so viele Personen zu engen Raum hinter sich zu lassen und an Deck zurückzukehren, wo der frische Seewind seine Gedanken von dem grauen Staub befreite, der sich auf sie zu legen drohte. Unbewusst fuhr seine Hand zur Schulter, doch Sinosh war nicht dort; die Echse war von ihm herabgeklettert, sobald er den Niedergang hinaufgekommen war, und hatte es sich auf einem eingerollten Segel gemütlich gemacht. Mit einem Lächeln wünschte Jaquento demjenigen, der Sinosh schließlich wecken würde, viel Glück. Die Echse reagierte sehr ungehalten auf gefühlte Störenfriede, und sie war nicht gern von dem jungen Hiscadi getrennt.
    »Wo ist dein Vieh?«, fragte Rahel hinter ihm, und er wandte sich ihr zu.
    »Schläft. Zumindest hoffe ich das.«
    »Wie geht es dir? Schon an die Windreiter gewöhnt?«
    »Ja«, antwortete er und versuchte, in ihrer Miene zu ergründen, was sie dachte. Doch ihr Antlitz war wie eine sorgfältig verschlossene Pforte, hinter der alles Mögliche liegen mochte. Er versuchte, sich wegen Lessan schlecht zu fühlen, doch er konnte nicht; nicht einmal jetzt, da er ihr gegenüberstand.
    »Pertiz hatte recht, du musstest das Schiff verlassen. Quibon hätte dich irgendwann einfach abgestochen.«
    Obwohl ihm die Worte »Er hätte es zumindest versucht« durch den Sinn gingen, sagte er nichts . Diese Art von hiscadischem Bravado schien ihm hier fehl am Platze zu sein. Es bestand kein Zweifel, dass Quibon kaltblütig genug für einen heimtückischen Mord war, und dagegen existierte kein zuverlässiger Schutz. Selbst wenn es sich wie eine Flucht angefühlt hatte, bereute Jaquento es nicht, die Todsünde verlassen zu haben, wie er überrascht feststellte. Auch wenn er Rahel zurückgelassen hatte. Rahel, die ihn nun musterte.
    »Ich wollte mich bedanken«, erklärte er. Die Worte kamen ungewollt über seine Lippen, doch sie fühlten sich richtig an. »Dafür, dass du mich an Bord gebracht hast, auch wenn es nicht gerade auf eine höfliche Art geschah. Du hattest recht: Es war besser, als in diesem Drecksloch zu bleiben.«
    »Du trägst die See in dir«, erwiderte Rahel ernst. »Das war nicht nur Gerede.«
    »Möglich. Auf jeden Fall hast du mir einen Weg gezeigt, den ich vorher nicht gesehen habe.«
    »Das war nicht uneigennützig: Wir können gute Leute immer an Bord gebrauchen. Wir hier oder Pertiz jetzt drüben, das ist egal. Pertiz ist ein guter Anführer.«
    »Ja, das ist er. Wir werden wohl gleich wieder übersetzen.«
    Seine Worte schienen sie nicht zu berühren. Noch nie zuvor hatte sie einen Hehl aus ihren Gefühlen gemacht, sodass es nun schwer für ihn war, hinter ihren Worten die Wahrheit zu erkennen.
    »Dann gute Jagd, Jaq. Wir sehen uns ja bald wieder.«
    »Es hat mich gefreut, Meséra«, erwiderte Jaquento mit einer Verbeugung, und Rahel ging nach hinten und stieg zum Achterdeck hoch. Einige Herzschläge lang sah Jaquento ihr nach, dann wandte er sich ab.
    Er hatte nicht gelogen, denn er war ihr dankbar. Doch die Entfernung zwischen ihnen während dieses kurzen Gesprächs war enorm gewesen.
    Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Ball auf Lessan, zu dem flüchtigen Moment, als er die thaynrische Offizierin geküsst hatte. Jaq, das war nicht gerade das klügste deiner Abenteuer. Die Frau hat die Macht, dich und alle deine Schiffskameraden an den Galgen zu bringen, und du benimmst dich ihr gegenüber wie ein verliebter Galan. Diese und ähnliche Gedanken gingen ihm seit dem bewussten Abend nicht zum ersten Mal durch den Kopf.
    Sich selbst einen Narren zu schelten, hatte er bereits aufgegeben, auch wenn ihm die wenig schmeichelhafte Gleichsetzung passend erschien. Es ist nicht zu ändern, erkannte er. Und wir werden uns wohl kaum wiedersehen. Was vielleicht auch besser so ist.

MAJAGUA

    Die Stimmung im Lager erinnerte Majagua an die Begräbnisse in seinem Dorf. Die Schatten

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