Sturmwelten 01
sein. Auch Rahel blieb ruhig, doch an ihrem Blick glaubte Jaquento zu erkennen, dass ihr Tareisa weitaus weniger gefiel als dem Kapitän.
»Neben einer beträchtlichen finanziellen Entlohnung können sie auch, sagen wir einmal, immateriellere Güter anbieten. Ruhm, Ehre, Titel, sogar Ländereien, wenn dies gewünscht ist. Eure … Vergangenheit würde dabei keine Rolle spielen.«
Stille breitete sich in der Kajüte aus. Die Worte waren ungeheuerlich, ihre Bedeutung zu groß für Jaquentos Begreifen. Wenn sie uns kein Theater vorspielt, dann bietet sie uns eine vollständige Amnestie an. Titel? Ländereien? Was, bei der Einheit, geht hier vor?
»Das ist … sehr großzügig. Man könnte denken, dass der Wert dieser Ladung unermesslich sei, wenn Ihr solch ein Angebot macht«, stellte Deguay kühl fest.
Die Maestra lächelte geheimnisvoll und hob entschuldigend die Hände. »Mir ist die genaue Natur der Ladung selbst nicht vertraut. Ich kann Euch lediglich versichern, dass meine Auftraggeber ihr offensichtlich einen großen Wert beimessen. Und bereit sind, jeden Beteiligten angemessen für seine oder ihre Arbeit zu entlohnen.«
»Ich bin versucht, das Angebot anzunehmen, allein schon, weil ich wissen will, wohin dies alles führt«, erklärte Deguay ruhig. »Aber wir benötigen mehr Informationen. Unsere Schiffe sind prächtig, keine Frage, doch wenn Ihr darauf aus seid, Kriegsschiffe zu kapern, könnte selbst unsere gemeinsame Kraft eventuell nicht ausreichen.«
»Das habe ich bei meiner Planung bereits bedacht. Das Schiff, das Euer Ziel sein wird, ist ein bewaffneter Händler. Schwer bewaffnet, aber für Männer und Frauen mit Euren speziellen Talenten sicher keine unmögliche Beute.«
»Was für ein Schiff? Von wem?«
»Schlagt Ihr ein, Capitane? Dann nenne ich Euch gerne mehr Details.«
Die Abgeklärtheit der Magierin überraschte Jaquento, auch wenn sie schon bei ihrem ersten Treffen furchtlos aufgetreten war. Wie mächtig sie auch sein mochte, auf den Schiffen befand sie sich in Gefahr, wenn die Piraten ihr Auftreten als zu arrogant empfanden. Doch Deguay blickte nur in die Runde und sah seine Offiziere fragend an. Der Reihe nach nickten sie. Selbst Jaquento, den das Verhalten der Maestra befremdete, stimmte zu. Erst einmal hören, was sie zu sagen hat. Alles Weitere kann folgen, wenn es nötig wird. Und ich glaube, dass sie die Wahrheit sagt, zumindest was die Macht ihrer Auftraggeber angeht.
Sinosh lief plötzlich an seinem Nacken entlang zu seiner anderen Schulter, was Jaquento einen kalten Schauer über den Rücken sandte. Dort angekommen, blieb die Echse sitzen und schaute sich so aufmerksam um, als wolle sie sich im nächsten Moment an der Beratung beteiligen.
»Es ist ein Schiff der Thaynrisch-Kolonialen Handelscompagnie«, hob Tareisa an. »Eine der sogenannten Schwarzbrunn-Fregatten. Sie fährt vom westlichen Teil der Sturmwelt. Ihr Ziel ist Corbane. Mit diesem Wissen solltet Ihr eine gute Chance haben, sie zu finden, non?«
»Vermutlich. Schwarzbrunn-Fregatte sagt Ihr? Schnell, gut bewaffnet. Eine wehrhafte Beute.«
»Aber doch sicher nicht zu wehrhaft für den legendären Capitane Deguay?«
»Nein«, erwiderte der Kapitän gedankenverloren. Von Schwarzbrunn-Fregatten hatte Jaquento noch nie etwas gehört, aber die Compagnie war ihm natürlich bekannt. Eine Organisation, ins Leben gerufen, um den Handel und Transport der kostbaren Waren aus der Sturmwelt zu vereinfachen und zu koordinieren, die in ihrem hundertjährigen Bestehen zu einer gewaltigen Machtfülle gekommen war. Heutzutage unterhielt sie eigene Kriegsflotten, führte eigene Kolonien und stellte die Gouverneure vieler wichtiger thaynrischer Kolonien. Angeblich hatte sie sogar einen Krieg der Thayns gegen die Mauresken verhindert, um ihre dortigen Handelsbeziehungen nicht zu gefährden. Ihre Sturmweltenfahrer waren große Handelsschiffe, die den Reichtum der Inseln nach Thaynric brachten.
Die Flagge der Compagnie lockte immer wieder Piraten und Freibeuter an, denn ein Sturmweltenfahrer versprach reiche Beute. Deshalb fuhren die Schiffe selten allein, sondern zumeist in großen Konvois, welche die thaynrischen Kriegsschiffe geleiteten. Für die über alle Maßen reiche Compagnie war es ein Leichtes, die Gebühren für den Geleitschutz zu bezahlen, während viele der unabhängigen Händler ihr Glück auf eigene Faust versuchen mussten – und so nicht selten als Prise endeten.
Der junge Hiscadi sah auf. Noch sprach niemand, aber
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