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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Macht?
    Ohne es zu wollen, lächelte sie, als sie an die Umstände der »Verbrüderung« dachte: die Nacht des Empfangs, die warme Luft, den Sternenhimmel, Jaquentos Berührung.
    Unfug, schalt sie sich wütend. Wir haben hier ganz andere Probleme. Lessan sollte vergessen sein, keine Auswirkungen mehr haben, verborgener Teil der Vergangenheit werden.
    Wieder spien die Geschütze ihre Ladung in die Welt hinaus, wieder waren mehr als zwei Minuten vergangen. Als Cearl zu ihr hinübersah, hielt sie ihm stumm die Uhr entgegen. Beinahe hätte er geflucht, doch er biss sich nach den ersten Silben auf die Lippen und brüllte dann so laut, dass es das ganze Deck hören musste: »Zu langsam! Immer noch zu langsam! Ab jetzt machen wir Trockenübungen! Und wir hören nicht auf, bis wir unter zwei Minuten sind!«
    Laut zu murren wagte niemand, aber das Murmeln der Geschützmannschaften verriet deutlich, was sie von dem Übungsschießen hielten. Ohne sich davon beirren zu lassen, rief Frewelling die Befehle, die von den Fähnrichen weitergegeben wurden. Jeder Fähnrich kommandierte seine eigene kleine Abteilung Kanonen. Unweit von Roxane entfernt stand Tola und gab ruhig die nötigen Kommandos. Ihre Stimme war fest, trotz der Anspannung, die auf dem Deck herrschen musste. Sie hatte sowohl den Geschützdonner als auch die Pulverdampfschwaden auf Deck stoisch ertragen und tadellos gearbeitet, wie Roxane stolz bemerkte. Doch gerade, als die junge Offizierin zu ihr blickte, wurde Tola von einem Seemann derb angerempelt, der sie nicht zu beachten schien. Ohne sich zu entschuldigen, kehrte der breitschultrige Mann zu seiner Position an den Kanonen zurück, während sich Tola an einem Spant abstützen musste, um nicht auf den sandigen Boden zu stürzen. Fassungslos betrachtete Roxane das Geschehen, dann trat sie die Treppe ganz hinab auf das Geschützdeck und rief: »Halt!«
    Unter ihren Sohlen knirschte der Sand, der das Holz gegen Funkenflug – und, wie die Matrosen munkelten, gegen Blutspritzer – schützen sollte. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Ohne darauf zu achten, baute sie sich neben Tola auf und fixierte den Seemann, der mit einem spöttischen Grinsen nachlässig salutierte.
    »Was geht hier vor? Hoare? Erklären Sie sich, Mann!«
    Der Seemann, dessen gefährlich an Ungehorsam grenzendes Verhalten Roxane schon zuvor aufgefallen war, behielt seine gut gelaunte Miene bei: »Geschützübung … Thay.«
    »Sie haben Fähnrich Levman angestoßen, Hoare.«
    Der Mann, dessen Brust die Ausmaße eines kleinen Wasserfasses hatte, zuckte mit den Achseln. Seine Kanonierskollegen sammelten sich um ihn, während Frewelling langsam die Reihen der Geschütze abschritt und zu ihnen trat.
    »Eifer des Gefechts, Thay. War’n bisschen eng, nich’ wahr?«
    »Mehr haben Sie nicht zu sagen?«, fragte Roxane leise. Es widerstrebte ihr, ihm zu drohen, aber der Vorfall ließ sich als Angriff auf eine Offizierin auslegen, und dafür gab es nur eine Strafe, die in den Kriegsartikeln vorgesehen war. Der Mann tanzte gefährlich nah am Abgrund, doch dies schien ihm keine Sorgen zu bereiten. Unvermittelt wurde sein Grinsen breiter, und er schüttelte den Kopf. Bevor Roxane noch etwas sagen konnte, fiel ein Schatten auf sie, und Harfell kam den Niedergang herab.
    »Warum wurde die Übung unterbrochen? Auf wessen Befehl hin wurde das veranlasst?«, verlangte der Kapitän zu wissen. Die junge Offizierin sah, wie Hoare schneidig Haltung annahm und ordentlich salutierte.
    »Auf meinen Befehl, Thay. Seemann Hoare hat sich ungebührlich verhalten, und ich habe ihn zur Rede gestellt.«
    »Ungebührlich? Hoare ist ebenso lange auf diesem Schiff wie ich. Ein guter Kämpfer, ein treuer Seemann. Das Salz der See, Leutnant«, wies Harfell sie zurecht.
    Vorsichtig räusperte sich Roxane. »Das mag sein, doch er hat eine Offizierin beinahe zu Boden gestoßen.«
    »Stimmt das, Hoare?«
    »Thay, Fähnrich Levman stand im Weg. Zu nah an der Kanone, Thay. Ich wollte nur meine Arbeit machen.«
    Die Augen des Kapitäns flogen zu Tola.
    »Levman! Natürlich. Und Hedyn. Das hätte ich mir denken können!«
    »Thay?«, fragte Roxane bestürzt. Innerhalb weniger Momente war ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden, und es war ihr, als stampfe das Schiff durch einen schweren Sturm. Anstatt dass ein Fehlverhalten geahndet wurde, stand nun ihr eigenes Urteil zur Debatte, wie die kalten Blicke Harfells bezeugten.
    »Levman, stören Sie den Ablauf der Übung? Schwächen

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