Sturmwelten 01
Sie die Moral meiner Mannschaft? Das ist Sabotage!«
»Nein, Thay.«
Hilfe suchend blickte Roxane zu Cearl, der mit versteinerter Miene abseits stand. Im Gegensatz dazu feixte Hoare geradezu, und auch andere Mitglieder der Besatzung grinsten breit. Einigen mochte es Freude bereiten, die Offiziere derart zurechtgewiesen zu sehen, doch bei anderen sah Roxane mehr als nur Schadenfreude. Genugtuung verquirlte sich mit Hass zu einer explosiven Mischung, bei der Harfells Verhalten der Funken an der Lunte sein mochte.
Plötzlich drehte sich Frewelling zum Kapitän herum. »Thay, ich muss protestieren«, warf er förmlich ein. »Fähnrich Levman hat nur ihre Pflicht getan, und Leutnant Hedyn ahndet lediglich einen Verstoß von Seemann Hoare. Sie …«
»Auch Sie, Frewelling?«, unterbrach ihn der Kapitän und trat einen Schritt zurück. Seine Augen huschten von links nach rechts, seine Hand verkrampfte sich vor der Brust.
Er ist ein kranker Mann, schoss es Roxane durch den Kopf. Einen Moment sah Harfell aus, als ob er einen Anfall erleiden würde, dann fingen sich seine Züge wieder, und er lächelte abschätzig: »Ich weiß, was Frauen in Uniform einem Mann antun können, Cearl. Sie sollten sich weniger von Ihren Gelüsten leiten lassen. Haben Sie den Vorfall gesehen?«
Entsetzt starrte Cearl den Kapitän an. Die Demütigung stand ihm brennend ins Gesicht geschrieben, als er grimmig den Kopf schüttelte: »Nein, Thay.«
»Dann zurück auf Ihren Posten, Leutnant. Führen Sie die Übung fort. Ich werde mich um diese Kabale hier kümmern!«
»Aye, aye, Thay!«
»Weitermachen«, befahl Harfell der Geschützmannschaft. »Und Sie beide kommen mit mir.« Als sich Hoare abwendete, sah Roxane noch, wie er Tola einen Kuss zuwarf. Wie betäubt folgte die junge Offizierin dem Kapitän durch das Geschützdeck zum Niedergang. Durch ihren Geist rasten die Gedanken; Wut, Angst und Scham nahmen ihr die Kaltblütigkeit, und die vielen Blicke der Besatzung taten das Ihrige, um sie weiter zu verunsichern. Wie ein geprügelter Hund ging sie mit gesenktem Kopf hinter Harfell her; eine andere Option gab es nicht. Auflehnung wäre Meuterei, und der Kapitän würde nicht zögern, uns an der nächsten Rah aufknüpfen zu lassen! Bei der Einheit, wer sagt, dass er dies nicht ohnehin vorhat? Wir hätten in Lessan handeln müssen, mit unseren Vorgesetzten reden, aber als wir dort vor Anker lagen, schien er so viel … stabiler zu sein. Diese Fehleinschätzung kam sie nun teuer zu stehen.
Erst in seiner Kajüte machte der Kapitän halt und befahl seine Wache mit hinein. Langsam setzte er sich an seinen Kartentisch und schaute einige Sekunden lang versonnen auf die ausgebreiteten Seekarten und Navigationsgeräte. Dann schnellte sein Blick nach oben.
»Verschwörung«, zischte er. »Sabotage. Meuterei!«
»Thay …«, begann Roxane, doch er fiel ihr ins Wort: »Schweigen Sie! Ich hätte jedes Recht, Sie beide mit der schwersten Strafe zu belegen. Wenn wir im Hafen wären, könnte ich ein Marinegericht einberufen, und man würde Ihnen die Höchststrafe aufbrummen, darauf können Sie sich verlassen, Leutnant, nicht wahr?« Die Worte stieß er hastig, beinahe fiebrig hervor, und Speicheltropfen sprühten umher.
»Ich sehe nicht, dass mein Verhalten nach den Kriegsartikeln strafbar wäre, Thay«, entgegnete Roxane steif, ohne den Blick von der Wand zu nehmen. »Ebenso hat sich Fähnrich Levman nichts zuschulden kommen lassen, sondern war vielmehr Opfer einer Missetat.«
»Ausreden. Sie klingen wie ein Sesselfurzer aus der Admiralität, Leutnant. Sind das wirklich Sie? Hinterhältig, feige, unfähig, zu den eigenen Taten zu stehen?«
Darauf antwortete Roxane nicht, denn es gab nichts zu sagen. Sie riskierte einen kurzen Blick zur Seite, wo Tola mit schreckensweiten Augen wie angenagelt dastand, das Kreuz durchgedrückt, das Kinn erhoben, als könnte eine tadellose Haltung sie vor Harfells Zorn bewahren. Ich sollte sie beschützen, durchfuhr es Roxane, doch der Gedanke war begleitet von der Erkenntnis, dass sie es nicht vermochte – sie konnte ja nicht einmal sich selbst schützen.
»Soldat, bringen Sie Fähnrich Levman zum Maat. Sechsunddreißig Schläge sollten ihr Mütchen vorerst kühlen.«
Das Mädchen seufzte entsetzt, und auch Roxane schluckte. Mit hängendem Kopf folgte der Fähnrich dem Soldaten, der mit einem Kopfnicken zur Tür deutete.
»Thay, ich protestiere formell gegen diese Strafe.« Roxane versuchte, ihre Stimme ruhig und
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