Sturmwelten 01
Erleichterung. Er hasste sich dafür, verachtete sich und seine Gedanken. Es gab nur einen Weg, den Respekt vor sich wiederzugewinnen.
»Ich war es«, sagte er ruhig in der Zunge der Blassnasen und trat vor. »Ich allein!«
Zwischen seinen Schulterblättern spürte er die überraschten Blicke der Sklaven; auch Tangye hatte sich ihm zugewandt, musterte ihn forschend.
»Ist das so, Kakerlak?«, fragte der Aufseher misstrauisch, und für einen Moment erfasste Majagua die irrationale Furcht, dass der Mann ihm keinen Glauben schenken würde. Doch dann fuhr er fort: »Ich habe gleich gewusst, dass du ein Unruhestifter bist. Fesselt ihn!«
Während ihn Hände rau packten, seine Arme auf den Rücken zwangen und ihn zu Boden stießen, erfasste eine endgültige Ruhe den jungen Paranao. Sein Schicksal lag nun nicht mehr in seiner Hand, sein Weg endete hier und jetzt. Widerstand war zwecklos, und er ließ alles mit sich geschehen. Die Scham, die er verspürt hatte, war vergangen, die falsche Erleichterung war zu einer echten geworden, einer, der er sich nicht zu schämen brauchte, wenn er vor seine Ahnen trat und sie ihn fragen würden, ob sein Leben ehrenvoll gewesen war.
Als sie ihn hochzogen, hob er den Kopf und sah die Soldaten an, schaute ihnen direkt in die Augen. Es gab keinen Grund mehr, den Blick zu senken. Er war kein Sklave mehr; er war dem Tod geweiht, niemandem mehr unterworfen als den Ahnen, die schon bald seinen Geist empfangen würden. Die Gewissheit, sterben zu müssen, machte ihn frei.
Sein Blick fiel auf Sinao, deren schreckensweite Augen ihm einen Stich ins Herz jagten. Er bereute nicht, aber die Erkenntnis, ihr nie wieder nahezukommen, traf ihn hart. Es würde für ihn keine Flucht und kein Leben geben.
Aus Sinaos Augen liefen ungehemmt Tränen, benetzten ihre Wangen, und ihre Lippen formten Worte, die niemand hören konnte. Er wollte tapfer lächeln, doch es gelang ihm nicht. Ihre Zukunft war finster, und ihre Pläne mochten ihr ebenso den Tod bringen wie ihm. Es gab nichts, was er ihr sagen konnte, keine beruhigenden, falschen Worte, die er hätte sprechen können.
»Wir bestrafen ihn hier«, befand Tangye. »Es hat keinen Sinn, ihn erst hoch zum Fort zu schleppen.«
Drohend schlug er seine Knute gegen sein Bein. Leder klatschte auf Leder; eine Verheißung der Schmerzen, die kommen würden. Ahnen, gebt mir die Kraft, nicht zu schreien , bat Majagua still, den zwei Soldaten in die Knie zwangen und schließlich mit dem Gesicht auf den staubigen Boden drückten.
»Jeder, der stiehlt, bezahlt seine Verbrechen mit dem Leben. Ob aufgehängt, erschossen oder zu Tode gepeitscht. Seht euch das gut an. Und merkt es euch! Ich dulde keine Diebe, keine Faulheit, kein Aufbegehren. Arbeitet fleißig, und es wird euch nichts geschehen. Ich sorge für euch. Hintergeht mich, und mein Zorn wird euch treffen!«
Die Rechnung, die Majagua angestellt hatte, schien aufzugehen. Der Aufseher würde ihn nicht befragen, sondern ihn als abschreckendes Beispiel töten. Nur ihn, und somit würde sein Opfer ehrenvoll sein.
Es war ruhig geworden. Keiner sprach. Nur Tangyes Schritte waren zu hören, wie er zu Majagua trat. Sein schwerer Atem, der den jungen Paranao schon auf der Insel begrüßt hatte, würde ihn nun auch verabschieden. Majagua roch und schmeckte die Erde und fühlte sich dabei seinem Volk näher als jemals zuvor. Anui brannte auf seinen Rücken herab, versprach Aufnahme in die Höhlen am Himmel und das Geschenk seines Lichts. In Erwartung der Schmerzen biss sich Majagua auf die Lippe; ein Kribbeln lief über seinen Rücken, wo ihn jeden Augenblick die Peitsche treffen würde.
»Nein!«
Das Wort war laut und klar, und innerhalb eines Herzschlags wusste Majagua, dass Sinao es gerufen hatte. Er fluchte innerlich, legte den Kopf zur Seite, um besser sehen zu können. Dummes Mädchen. Schafsmädchen! Hör auf zu blöken!
Doch sie war schon in den Kreis getreten und forderte Tangyes Macht heraus, die Hände in die Hüften gestemmt und Tränen in den Augen. In diesem Moment wusste Majagua, dass sie auch sterben würde, dass sein Opfer umsonst war.
»Sin? Geh zurück, Sin, oder du fängst dir ein paar Schläge ein.«
»Nein.«
»Ich bestrafe den Kakerlak hier für seinen Diebstahl. Verschwinde, Sin, und lass mich meine Arbeit machen«, erklärte Tangye ruhig. Wieder klatschte die Peitsche gegen seinen Schenkel. Hinter dem gespielten Verständnis spürte Majagua die Ungeduld des weißen Mannes.
»Es gab keinen
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