Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
vorsichtig.
»In den Rat!«
»Ich hatte mich doch zu keiner Wahl gestellt«, wunderte sich der Poet, aber sein Gegenüber schien das nicht zu interessieren.
»Die erste Sitzung findet heute am frühen Abend statt, auf dem großen Platz. Wir sollten den Platz Forum nennen, wie in der Zeit zwischen den Nigromantenkaisern und der Besetzung durch die géronaischen Hunde«, erklärte Alserras hastig und mit sich vor Aufregung überschlagender Stimme. »Wir werden uns einen Fuero geben!«
»Was, eine Charta? Willst du damit sagen, dass dieser Rat eine Verfassung verabschieden will?«
»Ja, Mesér. Das stolze hiscadische Volk ist wieder frei oder wird es bald sein. Nichts kann die Söhne und Töchter des Landes aufhalten, wenn sie erst einmal ihre eigene Stärke erkannt haben.«
Abgesehen von den Kanonen und Musketen der Géronaee vielleicht , sinnierte Franigo, aber Alserras deklamierte schon weiter: »Und unsere neue, wiederauferstandene Nation braucht
tapfere Männer und Frauen, die die alten Werte erkennen und mit neuem Leben erfüllen. Man wird Lieder über uns singen, und unsere Namen werden in die Geschichte eingehen!«
Zweifelnd schüttelte Franigo den Kopf. Er war nicht dazu bestimmt, als Politiker in die Geschichte einzugehen. Sein Werk war es, das Geschichte schreiben sollte, wörtlich und im übertragenen Sinne.
Und außerdem bedeutet diese unselige Wahl wohl nicht nur eine weitere Provokation der Géronaee, sondern auch, dass ich noch mehr meiner kostbaren Zeit mit Hohlköpfen wie Alserras verbringen muss .
»Wie groß wird denn diese Versammlung sein?«
»Oh, es wurde entschieden, dass alle sieben Regionen Abgesandte haben sollen, fünfzehn an der Zahl, um die uralten Räte zu ehren.«
»Und wie kommt es nun, dass man mich gewählt hat, obwohl ich gewiss nicht kandidiert habe?«
»Ihr wurdet vorgeschlagen, und eine große Mehrheit sprach sich für Euch aus, Mesér«, erwiderte der Student arglos, doch Franigo kam ein furchtbarer Verdacht: »Habt Ihr …?«
»Nun, die Studenten aus Balcera sprachen sich für Euch aus. Selbstverständlich habe ich Euren Namen auch genannt.«
»Selbstverständlich«, murmelte Franigo ergeben. Immer, wenn er dachte, dass er die Dynamik der Ereignisse verstanden hatte und die nächsten Begebenheiten nun lenken oder gar vorhersagen konnte, geschah etwas derartig Unvorhergesehenes.
»Oh, das hätte ich fast vergessen«, rief Alserras aufgeregt und wühlte mit seinen Händen in dem schmalen Ranzen, den er auf dem Rücken getragen hatte. Dabei erklärte er: »Wir haben es hierher geschmuggelt. Inxi hat es aus Cabany besorgt, sagt er, und wir haben eine Druckerei gefunden und … ah, hier!«
Triumphierend hielt er ein dünnes Bändchen hoch, ein kleines Oktavbüchlein, aus billigem Papier. Ein liebloses Machwerk, von dem Franigo nur annehmen konnte, dass es ein Roman war. Entsprechend vorsichtig nahm er das dargereichte Buch in die Hand und las den Titel.
Dann las er ihn noch einmal, um sicherzustellen, dass ihm seine Augen keinen Streich spielten.
»Die Abenteuer des tapferen und findigen Soldaten Bouflé«, las er entgeistert vor. »Geschrieben von Franigo …«
»Ja!«, unterbrach ihn Alserras mit freudig glänzenden Augen. »Eigentlich sollten alle Ausgaben vernichtet werden, da Ihr bei Hof ja in Ungnade gefallen seid, aber Inxi konnte eine retten, unter Lebensgefahr, wie er beschrieb, und so …«
Als erwarte er Dank, blickte der junge Student Franigo an, und es stahlen sich tatsächlich Tränen in seine Augen.
»Aber … der Titel?«
»Wir haben ihn geändert, damit er das Herz des Stückes besser trifft«, erwiderte Alserras leichthin.
»Geändert?« Franigo war fassungslos, doch der junge Mann schien es nicht zu bemerken. Stattdessen erklärte er: »Wir haben erst einmal tausend Stück drucken lassen. Guilos Vater ist Setzer und hat uns nachts in die Druckerei gelassen. Wir haben alle Exemplare aus der Stadt geschmuggelt.«
Das erregte nun doch Franigos Aufmerksamkeit. Das Buch war auf billigstem Papier gedruckt und schlecht gebunden. Die Seiten wellten sich bereits, und die Farbe des Drucks löste sich, aber es war ein Buch.
»Tausend Stück … für wie viel wollt ihr sie verkaufen?«
»Verkaufen? Mesér, wir verteilen sie unter dem ganzen Volk! Schon jetzt lesen die Hiscadi diese Zeilen der Befreiung und des Aufstands, die Ihr in der Fremde geschrieben habt, mitten unter den Nasen der géronaischen Hunde! Sie lachen
über die Mächtigen und erfreuen
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