Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Rebellen unterstützt und steht in Kontakt mit ihnen.«
»Das wäre viel Aufwand für einen Überfall«, sagte Jaquento. »Es sei denn …«
»Es sei denn, es wäre kein einfacher Überfall. Es wäre nicht das erste Mal, dass meine Vorgesetzten versuchen, bei Balcera zu landen und die Géronaee zu spalten.«
»Aber bei ihrem letzten Versuch wurden sie vernichtend geschlagen. Wäre eine Wiederholung nicht Wahnsinn?«
Nachdenklich blickte er zu dem Kampf hinab. Rauchwolken
hüllten die Schiffe ein und hingen zwischen den Häusern der Stadt. Schüsse hallten, dumpfes Feuer der Kanonen, aber auch immer wieder Musketensalven. Längst konnte man nicht mehr erkennen, wo in der Stadt überall gekämpft wurde.
»Beim ersten Angriff fehlte uns die Unterstützung Ihres Volkes, Jaquento. Was ein Triumphmarsch werden und Hiscadi in die Auflehnung gegen Géronay führen sollte, wurde zu einem Stellungskrieg an der Küste, ohne Aussicht auf Entsatz oder auch nur Versorgung. Wenn diesmal tatsächlich Rebellen am Werk sind …«
Sie ließ den Satz unvollendet, aber es war deutlich, was sie sagen wollte.
Wenn die Hiscadi sich erheben, und die Thayns uns helfen – ob aus Eigennutz oder nicht -, dann wird Hiscadi vielleicht bald frei sein . Es dauerte einige Momente, bis Jaquento daraus einen Schluss gezogen hatte: Noch ein Grund mehr, möglichst bald von hier zu verschwinden .
Als sie sich auf den Weg machten, war es Jaquento, als flohen sie vor der Schlacht, als würden sie vom Donner der Kanonen verfolgt. Er führte die kleine Gruppe in einem Bogen um die Stadt herum, auch wenn er sicher war, dass die Soldaten dort am Meer andere Sorgen hatten, als vier Schiffbrüchige zu jagen.
Ihre kleine Gruppe musste sich durch die Felder schlagen, denn aus den Toren Balceras ergossen sich Flüchtlingsströme, und es erschien dem jungen Hiscadi nicht ratsam, in seiner Uniform das Experiment der freundlichen Kontaktaufnahme zu wiederholen. Schließlich war es Roxane, die ihnen von ihrem wenigen Geld einige einfache Kleidungsstücke auf einem Gutshof kaufte, während der auffällige Rest der Gruppe in einem Olivenhain versteckt auf sie wartete. Auch wenn man nicht sagen konnte, dass die groben Hosen und Hemden angenehmer zu tragen waren oder ihnen besser passten
als die erbeuteten Uniformen, konnten sie sich so angezogen zumindest unter die Flüchtlinge mischen, die nach Norden zogen.
Vielleicht war dieser Zug ihr Glück, denn in der Menge verschwanden sie einfach, tauchten unter und verwischten ihre Spuren. In der ersten Nacht lagerten sie gemeinsam mit Dutzenden von Flüchtlingen und teilten ihr Essen mit ihnen.
Als Jaquento sich an dem rauchenden Feuer niederließ, das die Hiscadi entzündet hatten, bemerkte er zum ersten Mal, wie unterschiedlich die Flüchtlinge waren. Natürlich waren arme Leute darunter, aber auch Kaufleute und niederer Adel, Studenten und Handwerker.
Groferton hatte sich direkt mit Einbruch der Nacht verabschiedet und sich ein Stück weit entfernt einen Lagerplatz gesucht, ebenso wie Bihrâd. Die mangelnden Sprachkenntnisse der beiden machten es ihnen schwer, in die Menge einzutauchen. Zudem war der Maureske auffällig wie ein bunter Hund. Auch Roxane, die mit ihm am Feuer saß, verhielt sich still, während Jaquento eine merkwürdige Befriedigung dabei spürte, wieder die Zunge seiner Heimat zu hören.
»Ich war eine Weile … außer Landes«, erklärte er einer Frau, die neben ihm saß und die eben ihre zahlreichen Kinder schlafen geschickt hatte. »Und als ich zurückkehrte, sah es hier so aus.« Er machte eine Geste, die die vielen Flüchtlinge und Lagerfeuer einschloss. »Könnt Ihr mir erklären, was geschehen ist?«
Sie musterte ihn argwöhnisch, aber dann nickte sie. »Die Brotpreise sind immer weiter gestiegen, und niemand konnte sich mehr Essen für seine Familie leisten. Viele der géronaischen Herren haben die Arbeiter erst viel zu schlecht bezahlt und dann gar nicht mehr. Und irgendwann hieß es, wenn wir jetzt nicht aufstehen, dann werden sie uns alle elend verhungern lassen.«
Jaquento nickte ernst. »Wisst Ihr, wie viele sich diesem Aufstand angeschlossen haben?«
Die Frau zuckte mit den Achseln. »Tausende, überall. Es war ja nirgendwo anders als in Balcera. Irgendwo im Norden sollen ganze Heere bereitstehen, gebildet aus Bürgern und Bauern, und in vielen Städten kämpfen die Hiscadi gegen die Besatzer in ihren Forts und Kasernen.« Jetzt hatte sich ein stolzer Unterton in ihre Stimme
Weitere Kostenlose Bücher