Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
ihre Kraft aushöhlte.
»Einfache Methoden haben nicht selten etwas für sich.«
Gemeinsam beobachteten sie, wie das Beiboot der Piraten längsseits zum Fischerboot ging und Rahel geschickt an Bord kletterte. Die Offizierin redete auf einen der Männer ein und gestikulierte dabei wild, wies immer wieder auf die Todsünde und zur Küste. Der Fischer schüttelte einige Male den Kopf, bis Rahel an ihren Gürtel griff und einen Beutel emporhob. Nach einigen weiteren Worten schienen sie schließlich doch handelseinig zu werden, denn die Fischer gaben nun ein paar offensichtlich schwere Fässer frei, die daraufhin von den Piraten nacheinander in ihr eigenes Boot gehievt wurden.
Das Fischerboot war kaum größer als das Beiboot der Todsünde , hatte aber einen fest installierten Mast und einen breiteren Rumpf. Während ein Fischer das Segel einholte, schwang sich der andere in das Beiboot, und schon bald ruderten die Piraten wieder zurück zu ihrem Schiff.
»Drei Fässer«, rief Rahel, noch bevor sie angelegt hatten. »Schon sortiert.«
»Und der Capitane?«
Die Piratin wies auf den Mann neben ihr, der grüßend seine Mütze lüftete. Dann wollte er sie schon wieder auf den Kopf setzen, besann sich aber wohl eines Besseren und behielt sie in den Händen. Die Einladung an Bord des großen Schiffes machte ihn sichtlich nervös, aber er packte die Strickleiter und kletterte an Deck.
»Das ist Capitane Guiot«, stellte Rahel ihn mit einem sardonischen Lächeln vor. »Ihm gehört das Boot.«
Der Mann nickte mehrmals, als würde ein Nicken nicht genügen. Er ging gebeugt, aber seine Arme waren kräftig und seine Hände groß und voller Schwielen. Die Ärmel seines Mantels waren hochgekrempelt und entblößten Unterarme, auf denen etliche Tintenbilder eingestochen waren. Zwei Segenssprüche Corbans wanden sich über die sehnigen Muskeln,
unter dem dichten Haar kaum zu entziffern. Seine Haut war gebräunt, und man sah ihm das raue Leben an.
Deguay begrüßte den Mann, als würde dieser nicht nach Fischinnereien und Schweiß stinken, sondern nach dem feinsten Rosenwasser duften. »Ah, Capitane Guiot, es ist mir eine Freude«, erklärte er mit breitem Lächeln und legte den Arm um die Schultern des Mannes, dessen hektischer Blick zwischen ihm und Rahel hin und her hetzte.
»Kann ich Euch etwas anbieten?«, erkundigte sich Deguay höflich. »Vielleicht einen Schluck Wein? Oder etwas mit mehr, sagen wir mal, Gehalt? Ich habe vorzüglichen Rum in meiner Kajüte, wenn es Euch danach gelüsten sollte.«
»Rum ist gut.«
Diese Feststellung schien bereits alle Kraft des Mannes zu kosten. Ein wenig bedauerte Tareisa den Seemann, der unter ihre Bande von Halsabschneidern geraten war und dem dies nun bewusst wurde, wie der Schweiß auf seiner Stirn zeigte. Natürlich hatte er mit seinen Ängsten recht. Die Piraten würden nicht zögern, ihn umzubringen, wenn Deguay es befahl. Doch der Capitane hatte sich in diesem Fall entschlossen, den aufmerksamen Gastgeber zu spielen. Nur konnte Guiot das nicht ahnen.
»Dann gehen wir hinab, mein Freund. Kommt Ihr, Tareisa?«
Sie folgte den beiden Männern unter Deck. Deguay redete die ganze Zeit auf den stummen Fischer ein, der sich widerstandslos führen ließ, als habe er sich in sein Schicksal ergeben. Dass die Todsünde kein gewöhnliches Schiff war, musste dem Mann aufgefallen sein. Zu viele bewaffnete Seeleute, Männer und Frauen gemischt, mit Segeltuch abgedeckte Kanonen, die aus nächster Nähe aber kaum zu verkennen waren.
In der Kajüte setzte Deguay die Scharade fort und bot Guiot einen Stuhl und ein Glas Rum an, das er beinah bis zum Rand
füllte. Tareisa lehnte das Angebot, ebenfalls etwas zu trinken, ab und setzte sich lediglich schweigend und aufmerksam zu den beiden Männern. Jetzt betrachtete der Fischer sie eindringlich, als wolle er den Grund ihrer Anwesenheit erforschen. Aber Blicke dieser Art hatten die Maestra ein Leben lang begleitet.
»Capitane, wir haben ein Problem«, stellte Deguay schließlich fest, als er den Rum mit einem schnellen Schluck hinuntergestürzt hatte. »Wir haben südlich von hier seltsame Gerüchte von Fischern – ebensolch ehrbaren Männern, wie Ihr selbst einer seid – gehört, doch wir können uns keinen Reim darauf machen. Zudem ist es uns nicht möglich, einen Hafen anzulaufen, da wir sehr in Eile sind und die verdammten Thayns …« Hier spuckte der Capitane beinahe aus. »Weil sie überall sind und jede Zufahrt blockieren.«
Er sah den
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