Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
begannen auf der Imperial die weiteren Vorbereitungen. Leise begaben sich Soldaten und Seeleute unter Deck, wo ihnen Waffen und Munition ausgegeben wurden. Sinao hörte ihre Stimmen und fürchtete fast, dass die Worte über die stille Bucht getragen wurden bis zur Ertraden , dem Schiff der Compagnie, das noch in trügerischem Frieden unterhalb der Festung ankerte.
»Sie ist ein dicker Pott«, murmelte Manoel, der ihren Blick bemerkt hatte. »Aber die Leute an Bord erwarten keinen Ärger.«
»Sie müssen doch wissen, was vorgeht«, widersprach Sinao, doch der junge Maestre schüttelte den Kopf, so dass seine Zöpfe flogen.
»Nein. Sie glauben nicht, dass ein Kriegsschiff Ihrer Majestät etwas gegen sie unternehmen könnte. Das gute alte Thaynric hat ja bisher immer den Frieden mit ihnen gehalten, um den Handel nicht zu gefährden, verstehst du? Absprachen unter Ehrenleuten und dieser ganze Mist. Und noch dazu ist das hier eine Fregatte, und die Ertraden ist ein Linienschiff.«
Zweifelnd blickte Sinao wieder hinüber zu dem Schiff, das kaum mehr als ein dunkler Fleck vor dem Wasser war. Die Masten zeichneten sich vor der helleren Küste ab, doch der Rumpf war in Schatten gehüllt. Der Admiral hatte ihr erklärt, dass es einst ein Schiff der Géronaee gewesen sei, das die Marine seiner Cacique erobert hatte. Und dass es davor einem Stamm gehört hatte, den die Géronaee überfallen hatten. Und immer, wenn im fernen Corbane die Stämme Krieg führen, kämpfen sie auch hier. Und Paranao sterben .
Diesmal jedoch würden Thayns gegen Thayns stehen; eine Aussicht, die Sinao besser gefiel, als dass ihre Leute für die unsinnigen Ansprüche der Blassnasen bluten mussten. Für die fremden Herren war schon genug Blut ihres Volkes vergossen worden, auf Hequia und anderswo.
Mit leisen Befehlen wurden die Boote längsseits geholt, auf der der Insel abgewandten Seite des Schiffes, und ein Netz wurde an der Flanke hinabgelassen. Die Besatzung kletterte daran in die Boote hinunter, und mit Hilfe von dicken Tauen wurden Waffen und Fässer hineingeladen. Das Ganze lief gespenstisch leise ab und ohne Licht, so dass Sinao manchmal
nur erahnen konnte, was gerade geschah. War ein Boot voll, wurde es ein Stück weit weggerudert, mit umwickelten Riemen, die trotzdem platschend ins Wasser eintauchten. Doch die Brandung verschluckte die Geräusche, nahm sie in sich auf, als wären sie Bestandteil der See.
Schließlich trat der Kapitän zu Manoel und Sinao heran. Obwohl sein Gesicht in Schatten gehüllt war, konnte Sinao die Missbilligung spüren, die auf seinen Zügen lag.
»Sie beide sollten an Bord gehen. Setzen Sie sich auf die Ihnen angewiesenen Plätze, und verhalten Sie sich still. Folgen Sie genau den Anweisungen Leutnant Lerricks.«
»Aye, aye, Thay«, entgegnete Manoel zackig und salutierte so schneidig, als hätte er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan.
»Verflucht, Mann, erledigen Sie einfach nur Ihre Arbeit«, antwortete der Offizier mit kaum überhörbarem Ärger in der Stimme.
Sinao nickte, ohne dem Mann in die Augen zu blicken. Auf einmal fühlte sie sich fehl am Platze zwischen all diesen kriegerischen Männern und Frauen mit den Waffen in ihren Händen. Das waren Seeleute und Soldaten, zum Krieg ausgebildet, erfahren im Töten, mit kalten Augen und grimmigen Gesichtszügen. Und sie selbst war nur ein Mädchen, eine einstige Sklavin, die noch die Knute der Aufseher auf ihrem Rücken spüren konnte, wenn sie die Augen schloss.
»Komm, Sin«, flüsterte Manoel und ergriff ihre Hand. Er führte sie über das Deck zu dem Netz. Bevor sie jedoch hinabklettern konnte, hielt er sie fest. »Alles wird gut. Vertrau mir. Ich passe auf dich auf.«
Da sie ihrer Zunge nicht vertraute, nickte sie nur. Ihre Hand suchte nach dem Zemi -Stein, den sie in der Tasche ihres Rocks immer bei sich trug. In den kleinen Stein war das Gesicht Anuis eingemeißelt, des Herrn über die glühende Sonne.
Das Gefühl des polierten Steins unter ihren Fingern beruhigte sie wie stets.
Manoel sprang über die Reling und kletterte geschickt wie ein Äffchen in das Boot, während Sinao ihm langsamer folgte.
Unten wurde sie von hilfreichen Händen in Empfang genommen. Im Schatten der Fregatte konnte sie kaum die Hand vor Augen sehen. Der Mond stand tief, und die Sterne stiegen gerade erst aus ihrer Schlafstatt an den Himmel. Tastend suchte sie sich einen Weg zwischen den Insassen des Boots, das bereits ablegte. Sie hörte den Atem der Menschen,
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