Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Es ist viel geschehen, Franigo. Der Mann, den du gekannt hast, existiert ohnehin nicht mehr.«
Franigo zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. »Wir alle verändern uns«, stellte er gewichtig fest. »Sieh mich an: neulich noch Poet am Hofe Sugérands des Großartigen, nun in eine Rebellion verwickelt, deren Ausmaße ich schon lange nicht mehr überschauen kann.« Der DIchter zwinkerte ihnen zu und strich sich über den Bart. »Das nächste Mal werde ich ein wenig vorsichtiger sein, aber wer konnte schon ahnen, wie das Volk auf meine schlichte Frage: Wie wäre es, wenn wir frei wären? , reagieren würde?«
»Du beliebst zu scherzen.«
»Keineswegs. Es war niemals meine Absicht, diesen Aufstand anzuzetteln, auch wenn auf den Zetteln, die verteilt wurden, meine Verse standen. Ich habe lediglich versucht, ein paar Arbeitern zu helfen, die man um ihren gerechten Lohn betrügen wollte. Und nun … das.« Er deutete um sich, als sei die Schankstube ein Schlachtfeld, auf dem Soldaten auf seine Befehle warteten.
Jaquento sah sich rasch um. Bihrâd und Groferton, die sich
an das Kopfende der Tafel gesetzt hatten, schwiegen. Während der Maureske die Umgebung sehr genau im Auge behielt, hatte der Maestre seine Nase in einen Weinbecher gesteckt und trank, als habe er die feste Absicht, noch vor Sonnenuntergang betrunken zu sein. Roxane indes verfolgte das Gespräch der zwei alten Freunde, enthielt sich aber jeden Kommentars.
»Hör zu, Franigo, so gern ich auch mit dir rede, wir haben wenig Zeit.«
»Warum? Werdet ihr verfolgt?«
Jetzt war das Interesse des Dichters, das sich sonst so oft nur um ihn selbst drehte, geweckt, und seine Augen fixierten Jaquento, der sich unbehaglich umsah.
»Im Gegenteil, wir sind die Verfolger. Ein Schiff fährt nach Norden, in Richtung Maillot, und wir müssen den Hafen vor ihm erreichen.«
»Maillot? Ihr wollt bis ins kalte Brizhay? Mein Leben erscheint mir in letzter Zeit ja schon oft wie ein Possenspiel, aber das klingt nach einer wahren Narrenqueste, mein Freund.«
Schicksalsergeben zuckte der junge Hiscadi mit den Schultern und trank einen Schluck Wein.
»Wir jagen Verbrecher. Mörder, um genau zu sein«, mischte sich Roxane ein. »Wenn wir nicht ebenso schnell wie sie reisen, werden sie entkommen.«
»Über Land wird es Euch schwerfallen«, entgegnete Franigo. »Ihr müsst die Berge überqueren und dann durch Géronay. Das sich in Aufruhr befindet. Selbst mit den besten Pferden werdet Ihr Wochen benötigen. Jedes Schiff ist schneller.«
»Dennoch müssen wir es versuchen«, drängte Jaquento. »Kannst du uns helfen?«
Der Poet ließ sich Zeit, kostete den Moment und noch einen Schluck Wein zur Gänze aus. Noch schien seine Miene
unbewegt, aber Jaquento konnte schon den Beginn eines Lächelns erkennen. Vielleicht war es Glück, ausgerechnet Franigo zu treffen. Besser, als die meisten anderen in dieser Stadt .
»Ich kann euch Pferde besorgen«, sagte Franigo schließlich gedehnt und lehnte sich genüsslich zurück. »Dazu Proviant und Kleidung.« Der Dichter ließ seinen Blick über die vier Reisenden wandern. »Im Gegenzug will ich aber die Geschichte hören. Deine beiden kuriosen Begleiter dort, wer sind sie wirklich? Und auch wenn Roxana eine wahre Augenweide ist, scheint mir ihr Akzent doch ein wenig zu … nördlich.«
Jaquento spürte, wie die junge Offizierin sich versteifte, als Franigo ihr ein Lächeln zuwarf, dessen Bedeutung Jaquento nur allzu gut kannte.
»Wir jagen ehemalige Schiffskameraden von mir. Piraten. Und Roxana … Pardon, Roxane Hedyn, dient in der Königlichen Marine Ihrer Majestät von Thaynric.«
»Wie können Sie?«, zischte Roxane und sprang von ihrem Stuhl auf, aber Jaquento legte ihr die Hand auf den Arm und sah sie bittend an. Obwohl der Zorn in ihr Gesicht geschrieben stand, kniff sie die Lippen zusammen und setzte sich wieder.
»Ein Geheimnis hinter dem Geheimnis. Ganz famos«, stellte Franigo trocken fest, dann wandte er sich an Roxane: »Keine Sorge, Meséra, Eure Herkunft und Euer Rang sind bei mir sicher. Ganz abgesehen davon, haben wir Hiscadi ja nun keinen Händel mehr mit Eurer stolzen Nation. Ganz im Gegenteil, die Räte arbeiten eifrig an Verträgen der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung.«
Ihr Lächeln war deutlich kälter als seins, und sie zog ihren Arm unter Jaquentos Hand weg, bevor sie antwortete: »Dann danke ich Ihnen. Wenn Sie nun die Pferde besorgen wollen?«
»Was, so schnell? Wollt Ihr schon
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