Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
aufbrechen?«
»Sie haben es selbst gesagt: Äußerste Eile ist geboten, wollen wir unsere Beute nicht gänzlich verlieren.«
Sinnierend strich sich Franigo über die Bartspitzen, dann nickte er gewichtig und erhob sich. Mit einer schwungvollen Verbeugung verabschiedete er sich und warf sich den Hut nicht weniger dramatisch auf sein Haupt.
»Wartet hier. Ich werde alles arrangieren.«
Sie schwiegen, bis kurze Zeit später Franigo in die Taverne zurückkehrte.
»Hier, mein Freund«, sagte er leise und drückte Jaquento eine lederne Geldbörse in die Hand. »Nicht viel, aber es wird euch weiter bringen. Draußen stehen vier Pferde, und ein Sack mit Proviant ist auch dabei.«
Jaquento erhob sich und umarmte den Dichter.
»Danke«, murmelte er. »Und pass auf dich auf, ja? Wenn die Revolution dich umbringt, werden Hiscadis Frauen einen ganzen Fluss voll weinen.«
»Sieh besser zu, dass du deine Roxana wieder versöhnlich stimmst, bevor du mir gute Ratschläge gibst, Mau … Jaquento«, erwiderte der Dichter.
Sinosh kam über den Tisch zu ihnen gelaufen und kletterte Jaquentos Arm empor, um sich wie gewohnt auf seiner Schulter niederzulassen, dann verließen sie die Taverna und ritten schon kurze Zeit später aus den Toren der Stadt.
Halt!
Die Stimme in seinem Kopf war so laut und durchdringend, dass Jaquento sich erst einmal suchend umblickte, um herauszufinden, ob einer seiner Mitreisenden das Wort gerufen hatte. Erst dann wurde ihm klar, dass der Befehl von Sinosh stammen musste. Bis vor einigen Augenblicken hatte die Echse geschlafen, aber nun saß sie aufrecht und so stocksteif auf seiner Schulter, als sei sie plötzlich versteinert.
Halt!, rief Sinosh noch einmal. Halt an!
Der Hiscadi zog an den Zügeln.
»Wartet«, bat er seine Begleiter. »Mein Pferd lahmt … glaube ich.«
In Ermangelung einer besseren Erklärung stieg er von seinem Reittier ab, hob eines der Beine an und inspizierte zum Schein den Huf.
»Was, bei der Einheit ist denn los?«, wisperte er dabei der Echse zu.
Das Schiff. Ich kann es viel deutlicher spüren. Es fährt nicht mehr, es hat angehalten. Es ist nicht mehr weit von uns entfernt. Obwohl Sinoshs Stimme nur in seinem Kopf zu hören war, konnte Jaquento doch die Aufregung der kleinen Echse wahrnehmen. Wir müssen zur Küste und es dort suchen.
»Das ist zwar ganz wunderbar, Sinosh, aber wie zum Henker soll ich das den anderen erklären?« Jaquento versuchte, seine Stimme leise zu halten, merkte aber, dass ihm die anderen bereits fragende Blicke zuwarfen. Ohne großen Enthusiasmus begann er, in dem Huf herumzukratzen.
Das weiß ich nicht. Aber du musst es schaffen! Jaq, das Schiff ist ganz nah. Und es bewegt sich nicht mehr! Dort!
Die kleine Echse hatte ihren Kopf ausgestreckt, als hoffe sie, so ihrem Ziel näher zu sein. Jaquento versuchte abzuschätzen, wohin sie wies. Boroges vielleicht , erkannte er.
»Also schön«, seufzte der Hiscadi und ließ den Pferdehuf vorsichtig zu Boden gleiten, bevor er mit lauter Stimme verkündete: »Mesérs und Meséra, mir ist gerade sozusagen ein Geistesblitz gekommen.«
»Ein Geistesblitz?«, erkundigte sich Groferton müde. »Warum nur bin ich gar nicht neugierig?«
Jaquento ignorierte den Einwurf des Maestre einfach und fuhr fort: »Wir könnten nach Boroges reiten. Das ist eine Küstenstadt, die nicht allzu weit von hier entfernt ist. Ich denke,
sie wäre für die Todsünde ein perfekter Zwischenhalt auf dem Weg nach Géronay, denn Boroges liegt auf einer Linie mit dem Gebirge, das die Grenze zwischen beiden Nationen markiert.«
Bihrâd neigte den Kopf zur Seite und blickte Jaquento fragend an: »Und diese Idee ist dir ganz plötzlich gekommen?«
»Wir wissen nicht, wie es in diesem Boroges aussieht«, meinte Groferton in leidendem Tonfall. »Ob es in der Hand der Rebellen ist oder nicht. Ganz zu schweigen davon, dass wir keine Ahnung haben, ob die Todsünde dort wirklich vor Anker gehen würde.«
»Selbst wenn wir Deguay dort nicht einholen sollten, könnten wir von dort ein Schiff nehmen und so erheblich schneller nach Géronay gelangen als auf den Pferden.«
Der Hiscadi hatte sich alle Mühe gegeben, überzeugend zu klingen, und er hätte fast erleichtert aufgeseufzt, als Roxane ihm unvermutet beisprang: »Damit haben Sie sicher recht.«
Auch wenn er annahm, dass sie einfach nur genug vom Reiten hatte und lieber wieder auf See gewesen wäre, war er ihr dankbar.
Sie wandte sich zu Groferton um. »Sie haben doch sicher
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